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Gegen drei Uhr nachmittags waren ihre Unterschiffe von unsrer Großreuelrahe oberhalb der Kimmung sichtbar geworden; sie lagen augenscheinlich Bord an Bord, und der Skipper gewann immer mehr die Überzeugung, daß es dort nicht mit rechten Dingen zuginge. Dies sollte sich bald bestätigen, denn nach kurzer Zeit begannen von dem Vollschiff dicke schwarze Rauchwolken aufzusteigen, während die Brigg sich von ihm entfernte und unter vollen Segeln in westlicher Richtung davonmachte.

„Da ist ohne Zweifel dicht vor unsrer Nase ein ganz nichtswürdiger Seeraub ausgeführt worden,“ sagte der Skipper zu mir, als der Qualm immer dicker wurde und wie eine schwarze Wolke unmittelbar über dem Schiff in der klaren Luft hängen blieb. Wir schritten auf dem Quarterdeck hin und her und flöteten inständigst nach Wind, und alle an Deck befindlichen Mannschaften taten dasselbe. Das half jedoch alles nichts, die Brise war gänzlich abgeflaut und die Korvette lag in einer Windstille; sie war nicht zu steuern.

Kapitän Vernon eilte in seine Kajüte, erschien aber im nächsten Moment wieder an Deck.

„Lassen Sie den ersten und zweiten Kutter klarpfeifen, Mr. Wetter,“ rief er, „nehmen Sie einen Midshipman mit und rojen Sie nach dem brennenden Schiff. Wahrscheinlich ist dort dieselbe Schandtat verübt worden, die dem armen Teufel, dem Keppen Walker und seiner Mannschaft beinahe das Leben gekostet hat. Die Leute sollen ihre Säbel und Pistolen mitnehmen, um vorbereitet zu sein, wenn sie es mit dem Raubgesindel der Brigg zu tun kriegen sollten. Und sputen Sie sich, so sehr als möglich. Ihre erste Pflicht ist die Rettung der Schiffsbesatzung. Ihre zweite die Bergung des Schiffes selber, sofern dies noch angängig ist. Das Thermometer steigt, Wind ist also nicht zu erwarten, Ich werde jedenfalls alles tun, die Distanz zwischen uns und der Brigg zu verkürzen. Wenn Sie mit dem Schiff fertig sind, dann sehen Sie zu, was sie mit der Brigg anstellen können, es sei denn, daß Sie hier an Bord der Korvette das Signal zur Rückkehr wahrnehmen.“

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/154&oldid=- (Version vom 31.7.2018)