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Tochter, die uns in der Zeit unsrer Not so warmherzig aufgenommen und gepflegt hatten, einen Besuch abstatteten. Langfeld befahl der Bootsmannschaft äußerste Wachsamkeit, und dann einen eilten wir beflügelten Schrittes Don Manuels Plantage zu.

Bald standen wir vor dem Palissadenzaun, der den Garten einhegte; wir traten durch die Pforte und erblickten das Haus genau so, wie wir es zuletzt gesehen hatten, Tür und Fenster weit offen, die leichten Vorhänge im Winde wehend. Während wir den Pfad hinaufschritten, verwendete Langfeld keinen Blick von der Tür, in der Hoffnung, Donna Antonia erscheinen zu sehen. Ich ließ meine Augen links und rechts über die fruchttragenden Bäume, die Sträucher und die farbenprächtigen Blumen schweifen und freute mich des Schattens, den die Laubkronen auf den Weg warfen.

Plötzlich fielen mir einige große und tiefe Fußspuren im Sande des Pfades auf. Ein paar Schritte weiter hing ein abgerissenes Stückchen weißen Kleiderstoffes an dem Zweig eines dornigen Busches. Es war leicht mit Blut befleckt. Ich begann zu fürchten, daß Donna Antonia die Verletzte sein könnte, verschwieg dies aber meinem Gefährten.

Wir betraten ohne weiteres das Haus, um die Herrschaften zu überraschen. Im Wohnzimmer fanden wir keine Seele. Der Tisch und einige Stühle waren umgeworfen. Am Fußboden lag eine zerrissene Damenschärpe, auch andre Spuren eines Ringens oder eines Kampfes zeigten sich hier und da.

Wir blieben wie gebannt auf der Schwelle stehen und sahen uns an. Dann tat Langfeld einige Schritte vorwärts und stieß auf einmal einen Schreckensruf aus. Ich folgte der Richtung seines ausgestreckten Fingers – hinter der Tür lag der alte Pedro, das Gesicht nach unten, eine kleine Blutlache unter der Stirn. Wir drehten ihn herum – er war tot, aber noch warm. Eine Schußwunde der Stirn verriet uns, auf welche Weise er ums Leben gekommen war.

Ich gedachte jener Nacht, wo man versucht hatte, Donna Antonia zu entführen, und sogleich kam mir die Überzeugung, daß wir es

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/161&oldid=- (Version vom 31.7.2018)