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Unser Kommandant begleitete sie in demselben Boot. Als er am Nachmittag wieder an Bord erschien, war ihm anzusehen, daß ihm etwas schwer auf dem Herzen lag. Wir gingen sogleich wieder Anker auf, setzten alle Segel und steuerten zum Kongo zurück. Kaum hatten wir das Loanda-Riff hinter uns und die offene See erreicht, da ließ der Skipper den ersten und den zweiten Leutnant zu sich in die Kajüte entbieten, wo die drei eine lange Besprechung hatten, von deren Inhalt ich vorläufig nichts erfuhr.

Die frische Brise hielt die ganze Nacht an und der „Wolf“ lief eine so schlanke Fahrt, daß wir uns schon am nächsten Morgen gegen acht Uhr wieder bei Padron Point an der Kongomündung befanden.

Hier wurden die oberen Segel weggenommen, das Schiff beigedreht und alle Mann zum Frühstück gepfiffen. Eine halbe Stunde später braßten wir wieder voll, und nur unter Marssegeln, Klüver und Besan und mit je einem Lotmann in den beiden Fockrüsten segelten wir kühn in den Fluß hin. Das war zu jener Zeit ein höchst verwegenes und waghalsiges Unternehmen, da der Kongo damals selbst in seinem untersten Laufe noch ganz unerforscht war; es mußte daher etwas ganz besondres vorliegen, was jedenfalls zu der erwähnten Besprechung der drei Herren in Beziehung stand. So sagte ich mir, und das war auch zutreffend.

Wir liefen einige Seemeilen stromaufwärts, nachdem wir Shark Point bei Niedrigwasser passiert hatten. Bald gewahrten wir in einem der zahlreichen Creeks, an deren Mündungen wir bei unsrer Bootfahrt vorübergekommen waren, eine Bark, die, vom Mangrovenwald halb versteckt, daselbst vor Anker lag. Wir steuerten in den Wasserlauf hinein und ließen unweit der Bark, die ein Amerikaner zu sein schien, in sechs Faden Wasser ebenfalls den Anker fallen, machten die Segel fest und klarten das Deck auf. Dann befahl der Kapitän, den ersten Kutter klarzumachen, und rief, während dies geschah, den zweiten Leutnant, Mr. Langfeld, der wie ich ehemals der unseligen deutschen Reichsmarine angehört hatte, zu sich in die Kajüte.

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)