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Unsre Besatzung war ebenso erschrocken wie ich, und einer der Leute, ein Danziger, einst ein Bootsmannsmaat an Bord der Fregatte „Hamburg“, rief im ersten Entsetzen:

„Mensch, erbarm di! Wat was dat? Sün wi op e Seekrokodill opjelope? Ach Gottchen! Aber mi ward he nich frete ick schmeck em nich, ick heww to veel Tobackschmurgel in’t Lief von all de Priemkes!“

Jetzt lachte alles, Leutnant Langfeld aber rief entrüstet:

„Ruhe im Boot! Was soll der Unsinn, Schneidereit? Daß Sie sich nicht nochmal unterstehen, den Mund aufzutun, sonst stelle ich Sie zum Rapport, wenn wir zurückkommen!“

Alles verstummte.

Plötzlich hörte man eine Stimme wie aus Geistermund:

„Wer kann wissen, wieviel lebendig zurückkehren werden!“

Ein Schauer überlief mich. Die Worte schienen nicht aus dem Boote, sondern von links her aus dem Nebel zu kommen. Sie waren kaum lauter gewesen, als ein Flüstern, und dennoch bemerkte ich, daß alle Mann in der Barkasse sie vernommen und sich davor ebenso entsetzt hatten wie ich.

„Wer hat da gesprochen?“ rief der Leutnant. „Wer war das? Ich will’s wissen!“ Seine Stimme klang anders als sonst.

Niemand antwortete. Die Leute hatten wie auf Kommando das Rojen eingestellt und saßen atemlos lauschend. Der erste Kutter lief uns auf und wurde langseit sichtbar.

„Hat bei Ihnen an Bord jemand gesprochen, Leutnant Collins?“ fragte Langfeld.

„Kein Mensch,“ war die Antwort.

„Hörten Sie an Bord des zweiten Kutters sprechen?“

„Nein, ich habe nichts gehört; warum?“

„O, ich wollt’s nur wissen. Barkasse, anrojen!“

Die Leute nahmen ihre Tätigkeit wieder auf, ich sah aber, wie sie häufig Blicke miteinander wechselten, und vernahm auch allerlei dumpfes Raunen von Spuk und Gespenstern und schlimmer Vorbedeutung.

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)