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Ich drehte den Kopf nach der andern Seite: da sah ich einen Haufen von etwa fünfzig Schwarzen, die teils stehend, teils hockend eine Mahlzeit einnahmen. Sie waren mit Speeren und Keulen bewaffnet, woraus ich schloß, daß sie es waren, die uns gefangen genommen hatten. Dies erwies sich als richtig, denn als sie ihr Futter in sich hineingestopft hatten, kamen einige auf uns zu und bedeuteten uns, daß wir uns erheben und auf den Marsch machen sollten.

Die Sklaven gehorchten, da sie ihre Füße frei hatte, ich aber rührte mich nicht, weil mir das unmöglich war. Auch der Leutnant lag ganz still. Da kam ein großer ungeschlachter Kerl heran, um uns mit der Spitze seines Speeres aufzustacheln. Langfeld schien davon nichts zu spüren; er war entweder ohnmächtig oder gar tot; in mir aber regte sich bei dieser unverdienten Mißhandlung ein heißer Zorn, ich erhob die gefesselten Füße und versetzte dem Kerl einen so heftigen Tritt gegen das Schienbein, daß er aufheulte und schleunigst[1] eine Strecke davonhumpelte, zum Gaudium seiner schadenfroh lachenden Gefährten. Gleich darauf kam er wutfunkelnden Blickes wieder zurück, und jetzt hätte er mich mit dem Speer an den Erdboden genagelt, wenn ihn nicht ein andrer Schwarzer daran verhindert hätte. Auf dessen Befehl wurden Langfeld und ich aufgehoben und von je zwei Mann hinter dem Zuge der schwarzen Gefangenen hergetragen, während die Bewaffneten uns rechts und links begleiteten.

Ich hatte in den vorhergegangenen Kämpfen mehrere Wunden erhalten; diese schmerzten mich bei der unsanften Behandlung so heftig, daß mir die Sinne schwanden.

Wieder zu mir gekommen, lag ich auf dem Boden eines Kanus. Neben wir lag Leutnant Langfeld, nicht etwa tot, sondern so lebendig und munter, wie ich es bei seinen vielfachen Verwundungen nimmermehr für möglich gehalten hätte. Er begann auch sogleich zu erzählen. Er war an Bord der Brigg eben im Begriff gewesen, nach vorn zu gehen, als die Explosion stattfand. Er verlor sogleich das Bewußtsein, und als er wieder zu sich kam, sah er sich an Bord des Kanus und mich an seiner Seite.

  1. Vorlage: scheunigst
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/74&oldid=- (Version vom 31.7.2018)