Seite:Der Vampyr.pdf/83

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Knacken des Buschwerks, durch das die Neger in ihrer wilden Hast sich drängten. Ohne Aufenthalt ging es weiter, mit pochendem Herzen, fliegendem Atem und schmerzenden Gliedern, bis unser angstvoll lauschendes Ohr nichts mehr vernahm als die Stimmen des nächtlichen Waldes.

Nach unsrer Schätzung mußten wir volle zehn Seemeilen zurückgelegt haben, da blieb unsre Befreierin endlich stehen; auf ein Zeichen von ihr warfen wir uns am Fuße eines Baumes nieder in das hohe Gras und die dichten Farne und waren trotz der Schmerzen, die unsre Wunden uns verursachten, in wenigen Augenblicken fest eingeschlafen.

Mit Tagesanbruch erwachten wir wieder, richteten uns auf und blickten um uns. Unsre Führerin war verschwunden.

Wir empfanden ein tiefes Bedauern; gern hätten wir dem guten Geschöpf gedankt für alles, was sie für uns getan harte. Außerdem aber sagten wir uns, daß sie durch unsre Befreiung die Rache ihres Stammes über sich heraufbeschworen habe, daß sie, als sie den Creek durchschwamm, jede Verbindung mit den Ihrigen abgebrochen und ihr Geschick gänzlich mit dem unsrigen verknüpft habe.

Trotzdem schien es jetzt, als habe sie uns nur vorläufig an einen sichern Ort bringen wollen und sich nun wieder auf den Rückweg begeben, in der Hoffnung, jeden Verdacht von sich abwälzen zu können.

Wir redeten noch eine Weile hin und her und beschlossen dann, uns zunächst nach Wasser umzusehen, denn der Durst begann uns zu plagen.

Kaum hatten wir einige Schritte getan, da trug der frische kühle Morgenwind den Ruf einer klaren melodischen Stimme zu uns herüber, und mit frohem Erstaunen nach der Richtung ausschauend, sahen wir bald unsre schwarze Diana auf uns zugeeilt kommen, eine kleine tote Antilope bei einem Bein hinter sich herziehend.

Sie hatte uns also doch nicht im Stich gelassen; sie hatte im Gegenteil wahrscheinlich einen großen Teil der Nacht damit zugebracht, die Antilope zu belauern und zu fangen, um uns das Fleisch zum Frühmal zu verschaffen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/83&oldid=- (Version vom 31.7.2018)