Seite:Der Vampyr.pdf/9

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zusammen vierhundert Mann. Der Däne war mithin schon so gut wie unser, so dachten wir – aber es kam anders.

Wegen der großen Entfernung richteten die Geschosse auf beiden Seiten nur wenig Schaden an, und um die Sache kurz zu machen, ließ die Korvette „Hamburg“ Volldampf angehen, um den Feind zu entern.

In diesem Augenblick fiel auf Helgoland, damals bekanntlich noch englischer Besitz, ein Kanonenschuß. Commodore Brommy stieß eine wilde Verwünschung aus und stampfte wütend das Deck. Dann gab er der „Hamburg“ das Signal: In die Elbe einlaufen, und unmittelbar darauf ließ er den Flaggenbefehl flattern: Das ganze Geschwader Feuer einstellen. Die Schiffe drehten um und nahmen Kurs auf die Elbe.[ws 1]

Offiziere und Mannschaften standen sprachlos bei diesem Befehl, der ihnen die sichere Prise aus den Händen riß. Wenngleich sie stumm gehorchten, sah der Commodore doch wohl ein, daß er ihnen eine Erklärung seines Benehmens schuldig sei. Jener Schuß auf Helgoland war der Grund seiner unbegreiflichen Handlungsweise. Er sollte uns sagen, daß wir uns auf neutralem Gebiet, in englischem Gewässer befänden. Die Offiziere waren wütend; nach ihren Messungen betrug die Entfernung unsrer Schiffe von Helgoland fünf Seemeilen, die Neutralitätsgrenze aber war damals auf drei Seemeilen festgesetzt. Sie hätten sich auch nicht an den Schuß gekehrt, aber Brommy war andrer Ansicht; er durfte es nicht darauf ankommen lassen, mit England in Streit zu geraten, das Dänemark freundlich gesinnt war und in Schutz genommen hatte und außerdem die schwarzrotgoldene Flagge nicht anerkennen wollte.

Wenige Tage darauf ließ der englische Premierminister Lord Palmerston durch die „Times“ verkünden, es hätten sich bei Helgoland Kriegsschiffe unter schwarzrotgoldener Flagge gezeigt; ließen sie sich noch einmal sehen, dann würden sie durch englische Kriegsschiffe als Piraten aufgebracht werden.

Das war eine tödliche Beleidigung, aber die deutsche Reichsregierung konnte in ihrer Ohnmacht nichts dagegen tun. Zugleich war damit aber

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Näheres zum historischen Ereignis findet sich im Artikel zum Seegefecht bei Helgoland auf der Wikipedia.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)