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Den Hügel türmte Langfeld ganz allein über dem Grabe, obgleich er sich vor Schwäche kaum auf den Füßen halten konnte. Das sei er dem lieben Mädchen schuldig, sagte er. Dann setzten wir uns unweit des Grabes auf einen Stein nieder und überließen uns unsern schmerzlichen Gedanken.

Lubembas Tod war ein schwerer Verlust für uns. Sie war so freundlich, so heiter, so hilfsbereit und, namentlich während „Lobas“ Krankheit, so liebevoll, so sanft und geduldig, so voll von Teilnahme und so unermüdlich fürsorglich gewesen, daß unbewußt eine innige Bruderliebe für sie in uns erwacht war. Ich erinnerte mich der zahllosen Dienste, die sie uns während unsrer Wanderung erwiesen hatte, vor allem aber des großen Mitleids, das sie getrieben hatte, ihre Heimat, ihre Angehörigen und ihr Volk freiwillig und für immer zu verlassen, um zweier unglücklicher Fremden willen, die obendrein noch einer ganz andern Rasse angehörten. Und als Dank dafür mußte ihr solch ein grauses Geschick widerfahren! Mir war, als müsse mir vor tiefem Weh das Herz brechen.

Der Leutnant zitterte vor Schwäche und Schmerz, und zuletzt lehnte er den Kopf an meine Schulter und weinte wie ein Kind. –

Das traurige Ereignis übte eine so niederdrückende Wirkung auf das Gemüt meines Gefährten aus, daß seine Genesung dadurch sehr verzögert wurde; es verging noch eine ganze Woche, ehe er so weit hergestellt war, daß wir unsre Wanderung wieder aufnehmen konnten. Viel Vorbereitungen hatten wir nicht zu treffen, und so verließen wir an einem wunderschönen Morgen mit wehmütigen Gefühlen unsre Hütte und machten uns auf den Marsch.

Wir kamen nur langsam vorwärts, weil Langfeld noch sehr schwach war, aber wir hatten es jetzt auch nicht so eilig wie ehedem. Unsre Schiffsmaaten hielten uns schon längst für tot, und der „Wolf“ war, aller Wahrscheinlichkeit nach, wieder aus dem Kongo hinausgesegelt und hunderte von Seemeilen entfernt auf hoher See.

Am fünften Tage erreichte unsre Wanderung ganz unerwartet ihr

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Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/93&oldid=- (Version vom 31.7.2018)