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vor. Der Mann verbeugte sich kurz und steif, radebrechte ein mürrisches „no speak Inglese“, was heißen sollte, daß er kein Englisch verstünde, drehte uns unhöflich den Rücken zu und beschäftigte sich ausgesucht liebenswürdig mit Donna Antonia, der er damit jedoch nichts weniger als einen Gefallen zu erweisen schien.

Später bei Tisch war die Stimmung aller eine unbehagliche und gezwungene, Don Manuel ausgenommen. Der jungen Dame war der neue Gast offenbar unwillkommen, trotzdem bemühte sie sich, seine Schmeicheleien und Huldigungen freundlich entgegenzunehmen, vielleicht, weil er ihres Vaters Gast war, vielleicht auch aus andern Gründen. Dabei warf sie ab und zu einen verlegenen und abbittenden Blick nach der Richtung, wo Leutnant Langfeld seinen Platz hatte.

Sennor Ribera, der ohne Zweifel ein Seemann und wohl gar der Kapitän eines Sklavenschiffes war, blieb auch zur Nacht in Don Manuels Hause und verließ es am nächsten Morgen, ehe Langfeld und ich aufgestanden waren. Als wir auf der das Haus rings umgebenden Veranda erschienen, kam Don Manuel sogleich auf diesen Gast zu sprechen und teilte uns mit, daß derselbe ein Fahrzeug kommandiere, das eine regelmäßige Verbindung mit dem Kongo unterhielt, und daß er einer der wenigen Landsleute sei, durch die er einen gelegentlichen Verkehr mit seinem Heimatlande aufrecht erhielt. Er versuchte auch, das ungeziemende Betragen Riberas uns gegenüber zu entschuldigen, das nur auf Eifersucht zurückzuführen sei. Der Schiffer habe sich bei seinen letzten Besuchen angelegentlich um Donna Antonias Gunst beworben, und da er, wie alle seine Landsleute, sehr eifersüchtig sei, so mochte es ihm wohl gegen den Strich gegangen sein, zwei junge Gentlemen unter demselben Dach mit seiner „Inamorata“[ws 1] vorzufinden.

Als Leutnant Langfeld dies vernahm, richtete er sich stolz und steif empor und sagte, er bedaure, daß durch unsre Anwesenheit im Hause ein Mißton in eine so delikate Sache gekommen sei. Don Manuel aber unterbrach ihn mit der Versicherung, daß er Sennor Ribera als guten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. engl. Inamorata – Altmodische Bezeichnung für eine Frau, in die sich eine Person verliebt hat. Z.B. bezeichnet ein Mann eine Frau um die er sich bewirbt als Inamorata. Aus dem italienischen innamorta = Geliebte.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Meister: Der Vampyr. Verlag Abel und Müller, Leipzig 1911, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Vampyr.pdf/98&oldid=- (Version vom 31.7.2018)