Seite:Der alte Gobelin.pdf/3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nach einer Viertelstunde hatten wir unseren Freund verbunden, zu Bett gebracht und erlebten die große Freude, daß er bereits wieder ganz munter und guter Dinge war.

„Ein Schwindelanfall …“ meinte er über diesen seinen Anfall mit stiller Ergebenheit in das Unabwendbare. „Man ist nicht mehr der Jüngste, – im Gegenteil, siebzig Jahre, da muß man schon an die große Reise denken, von der es keine Rückkehr gibt. Obwohl ich …“ – er machte eine unklare Handbewegung, und sein blasses Gesicht überlief es wie ein Grauen, er senkte den Kopf, und das weitere war nur ein verschwommenes Gemurmel, „… obwohl ich mehr Anwartschaft auf die Hölle habe!“ Dann besann er sich wohl, daß diese eigenartige Äußerung von uns gehört worden sein könnte, und fügte ganz laut hinzu: „Es war mir so, als ob ich urplötzlich einem Schlag gegen die Schläfe erhielte, – mehr weiß ich nicht … Mir war dabei vorher ganz wohl zumute, ich hatte noch eben einen Pflaumenschnaps getrunken, – eigentlich war das recht seltsam, wenn man sich’s recht überlegt … So richtig schwindelig wurde mir gar nicht, – na, diesmal bin ich noch mit einem blauen Auge davongekommen, und die Schramme am Schädel, die tut mir nichts … Ich darf ja auch nicht krank sein … Wer so allein dasteht wie ich – lieber Himmel … – und ein Krankenhaus, eher hänge ich mich auf, Tatsache!“

Harst war in das Wohnstübchen gegangen, – ich sagte etwas erstaunt: „Sie haben doch ein Kind, Herr Pagel … So allein sind Sie also nicht, und Sie sollten nicht derartige Redensarten gebrauchen – – von Aufhängen… und so, – das kann doch nur Augenblicksstimmung sein, Ihre Tochter ist doch so gut verheiratet …“

Sein hartes, bitteres Auflachen ließ mich verstummen.

„Mein Kind?!“ rief er, und sein Mund verzog sich gramvoll. „Ach, – Sie denken, weil Sie die Gnädige

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Der alte Gobelin. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_alte_Gobelin.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)