Seite:Der alte Gobelin.pdf/57

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit seinen Geldsendungen … Aber so zahlreiche Einschreibebriefe aus Johannesburg fallen auf, und meine Anfrage beim Postamt war nicht umsonst, ich lernte so Ihren Bruder kennen, von dem hier niemand mehr etwas weiß, – Engländer geworden, Anwalt, übelster Deutschenfresser, moderner Renegat, modernster Schieber, – Sie sehen, wir sind im Bilde.“

Gehrs war im Schreibsessel völlig zusammengesunken. Die helle Hornbrille war ihm bis auf die Nasenspitze gerutscht. Seine schmalen Hände flatterten, ein Bild vollkommenen Zusammenbruchs. – Anders seine Frau, – sie war emporgesprungen, nur um ihre Nasenflügel zeichneten sich scharf zwei weiße Flecke ab. „Wenn mein Schwager James ein Betrüger sein sollte,“ sagte sie mit herausfordernder Heuchelei, „dann sind wir doch nicht dafür verantwortlich! Uns kann niemand etwas vorwerfen, wir …“

Harsts eisiger Blick verwirrte auch dieses Weib, das den Luxus und den schrankenlosen Lebensgenuß über alles liebte. „Ich werfe Ihnen vor, Ihren Vater, einen bis dahin ehrenwerten Mann, mit in Ihre schmutzigen Geschichten hineingezogen zu haben,“ sagte Harst fast wehmütig. „Gustav Pagel war uns ein lieber Freund, – Ihnen galt er nichts mehr, Sie schämten sich seiner, bis der Gobelin wieder eine Rolle zu spielen begann und er als Vater sein einziges Kind zu decken suchte. Ich werfe Ihnen weiter vor, um den Mord an Banks gewußt zu haben. Mord, Frau Gehrs, – und Ihr Gatte der Mörder.“

Aus dem Schreibsessel kam ein dumpfes, qualvolles Gurgeln. Kurt Gehrs starrte mit glasigen Augen vor sich hin. Seine Lippen zuckten, – es war kläglich, daß er’s noch mit einem heiseren Auflachen versuchte und mühselig hervorpreßte: „Das ist … Lüge, Unsinn …! Beweisen Sie mir etwas, – ich bin unschuldig, ich …“

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Der alte Gobelin. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_alte_Gobelin.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)