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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit. Es gab kein Lager, keine Partei‚ welche sagen konnte, daß sie Maximilian Harden auf die Dauer zu beeinflussen vermocht hätte. Zumal in der Sozialpolitik (er trat dem Pfarrer Friedrich Naumann nahe) ging er völlig andere Wege als Bismarck. Er betonte immer wieder, daß er schlecht dazu geeignet sei „d’epouser les haines d’autrui“ (d. h. die Gehässigkeiten Bismarcks fortzuführen); und doch gab es einen Punkt, in dem er mit dem Alten im Sachsenwalde zusammenklang auf Tod und Verderben. Das war der Haß gegen die Person des Kaisers. Es ist schwer zu sagen, worauf dieser Haß gründete.

Harden verachtete die dekorative Vieltuerei und Unbeständigkeit des Kaisers. Von ihm stammte das Wort: „Auf den greisen Kaiser sei erst ein weiser und dann ein Reisekaiser gefolgt.“ Er befehdete die phrasenhaften Reden der Schau- und Katastrophenpolitik‚ die Pose des starken Mannes bei unberechenbarer Launenhaftigkeit. Jede Äußerung des Monarchen reizte Hardens Witz und Spott. Das bloße Erwähnen des Namens Harden machte den Kaiser verstimmt und rachsüchtig. Allmählich sahen die Reichsämter, der preußische Adel, die Militärpartei und die Verwaltung, so weit sie gegen die Person des Kaisers kritisch und mit seiner Selbstherrlichkeit unzufrieden waren, in Hardens „Zukunft“ ihr sicheres und wirkungsvolles Hauptquartier. Um 1900 war Harden der gehätschelte Publizist des alten konservativen Preußen.

Aus irgendeiner Gleichheit wie Ungleichheit der Naturen blieben zwei Theatermenschen, der machtwillige Kaiser und der wirkungswillige Literat, aneinander geknebelt.

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/175&oldid=- (Version vom 31.7.2018)