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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

Hardens „Zukunft“ seinen später von ihm bedauerten Aufruf „Höre Israel“, womit er ganz unmißverständlich zur Massentaufe aufforderte. Die Erhaltung des Judentums (so erklärte Rathenau) aus lauter Reminiszenzen und Pietäten, mit sinnlos gewordenen Riten und Gesetzen, sei nur ein Stück verstorbener Orient inmitten der weiterblühenden abendländischen Kulturen. Die Juden sollten endlich die unlösliche und unnötige Spannung beenden und im Deutschtume untertauchen.

Dies war die unausgesprochene Überzeugung der westjüdischen Mehrheit. Sie wäre siegreich geworden und hätte langsam zur Auflösung geführt, wenn nicht in den kommenden Jahren der Zionismus die noch aufschwungfähige jüdische Jugend gesammelt hätte. -

Nichts hatte Hardens schöner Genius des geistigen Spiels je völlig ernst genommen. Metaphysik, Moral, Weltgeschichte, ihm erschien wohl alles ein wenig zweifelswürdig. Aber in einem Punkte war es ihm bitter Ernst. Da fühlte er, der auch mit Menschen erhaben Spielende, sich voll verantwortlich und nur als ein treuer Knecht. Er hieß: Deutschland!

Als sein fünfzigjähriger Geburtstag seine damals noch Hunderttausende umfassende Lesergemeinde in Bewegung brachte, da dankte er mit einer Art öffentlicher Eidesleistung. Er schwur und ließ seinen Gratulanten das wunderliche Denkstück zustellen, daß er lebenslang nach bestem Wissen und Können dem Wohl des deutschen Menschen dienen werde. Das „Wohl des deutschen Menschen“ ... das war (und wäre es auch nur eine Selbsttäuschung gewesen) jedenfalls die letzte Norm seines immerbewegten Lebens. Danach richtete er sich. Danach

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/189&oldid=- (Version vom 31.7.2018)