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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthaß

I
Paul Rée

Paul Rée, ein junger Liebhaber der Künste und Wissenschaften, unabhängig und aus reichem Hause, kam im Februar 1874 in das kluge und behäbige Basel. Die Stadt, ehrenfest und gesittet, erschien ihm wie geschaffen für die nüchterne Trunkenheit eines freien Geistes. Er badete im Rhein, er machte an den sonnigen Ufern, seiner Gewohnheit gemäß, tagelange Spaziergänge, er erfreute sich des Umgangs der würdigen Professoren. Und er fand einen Freund, ohne dessen weltumfassende Wirkung wir heute wohl kaum noch von dem Dasein eines Paul Rée etwas wissen würden. -

Es ist ein gewagtes Unterfangen, das Leben und das Werk Paul Rées zu schildern. Denn außer einem Buche aus 211 Paragraphen, welches nach seinem Tode von ehrfürchtiger Hand unter dem Titel „Philosophie“ herausgegeben wurde, ist nichts von ihm auf die Nachwelt gelangt. Wir kennen wohl die Spuren seines äußeren Lebenswegs; es leben noch manche, die sich erinnern, wie er ausgesehen hat, wie er geschritten ist, wie er gesprochen hat. Aber Manuskripte, Briefe, Bilder, Tagebücher hat er vernichtet. Er wollte mit geschlossenem

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthaß. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/55&oldid=- (Version vom 5.7.2016)