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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

Blut. Und er haßte das Weib und die Stimme des Erdgeistes, von der Stunde ab, wo in dem Knaben das Gattungsgeheimnis sich zu regen begann.

Kein Wort finden wir in Weiningers hinterlassenen Papieren so häufig wie die Worte: Verbrechen und verbrecherisch.

Seine ganze Philosophie war ein einziges Gegrübel über das Problem der Sünde und der Erlösung. Und so wurde diese Philosophie eine durch und durch christliche. Denn während bei den Indern, in den Vedas und sogar noch bei Buddha immer die Liebe, die Lebenseinheit, das „ta twam asi“ im Mittelpunkte alles Denkens steht, ist das Zentralerlebnis eines Christen: Der dunkle Abfall vom Leben. Die unabwendbare Schuld. Die mit dem Menschen selber geborene Verzwistung. Wo gibt es Erlösung von dieser Urschuld?

„Erlösung“ gibt es nur durch das Aufheben alles Menschenlebens im reinen Geiste.

Vollendete Vernunft, vollendete Sittlichkeit, das wäre das Ende! ...


Man könnte sagen: In diesem jungen Philosophen ist Kants Zweiweltentheorie verrückt geworden.

Er sieht alles unter der Optik der intellegiblen Welt.

Die Bibel, das Veda, Buddha, Plato . . . alles verkündigt ihm nur die Herrlichkeit eines Lebens, das etwas ganz anderes ist als: das Leben von dieser Welt.

Wo aber das Verschuldungs- und Selbstrichterpathos einmal Platz greift, da vergraut die Erde und wächst eine mönchische Neigung, die lockende „Frau Welt“ sich zu verekeln.

Empfohlene Zitierweise:
Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/93&oldid=- (Version vom 29.12.2019)