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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass

Denn „Frau Welt“ ist schön. Und alle Schönheit will Liebe.

Er hat Angst, dieser Schönheit zu unterliegen. Und so versucht er durch Ekeltöne sich diese Schönheit zu verwidern. Kein Scheltwort ist ihm herb genug, um das schöne Leben zu schmähen.

Und je mehr ihn die Schönheit zieht und lockt, um so gräßlicher malt er sich seinen Fall und sein Hinsinken in Grauen und Schmach.

Zu versinken in den Schoß der Frau Welt, das wäre der Verlust seines mühsam erarbeiteten Selbst und seiner endlich erkämpften philosophischen Ruhe.

Jeder Selbstabstrafer aber schwelgt in Übertreibung. Das Schuldgefühl des an Ethik und Moral Erkrankten steht niemals in einem richtigen Verhältnis zu der die Reue auslösenden Tat.

Es gab Selbstzerfleischungen um ein Nichts!

Augustinus füllt noch als alter Mann viele Seiten mit wilden Selbstverfluchungen, weil er sich voller Qual erinnert, daß er als Knabe im Garten des Nachbars Äpfel stahl.

Sören Kierkegaard wird zum tiefen Psychologen der Reue, aus Qual über sein vermeintliches Verschulden an einem Mädchen, dem er lebensängstlich einst den Verlobungsring zurückgab.

Ja, Origines sühnt einen Augenblick der Selbstbefleckung, indem er sich für Lebenszeit entmannt.

Wo die Natur sich gegen sich selber kehrt, da wird der Mensch wehrlos. Und nichts ist leichter als einen Wehrlosen zu opfern.

Der von Ethik und Moral Besessene ist bereit, alles,

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Theodor Lessing: Der jüdische Selbsthass. Jüdischer Verlag, Berlin 1930, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_j%C3%BCdische_Selbstha%C3%9F.pdf/94&oldid=- (Version vom 29.12.2019)