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ihn der Eltern, lähmte ihn an beiden Beinen, und als er endlich aus dem Hospital entlassen werden konnte, war er siech für immer.

Richard besaß nur noch einen einzigen Verwandten, eine ältere, alleinstehende Witwe, und diese kam zu ihm in das Haus, das ihm gehörte, um ihn bis an ihr Lebensende zu pflegen. Es wurden auch Hauslehrer besorgt, und so vergingen die Tage des Gelähmten mit Lernen, Spazierenfahren und Träumen, die nur ab und zu einmal von dem Besuch eines ehemaligen Schulfreundes unterbrochen wurden.

Heute war er vierzehn Jahre alt, und obwohl er sich an sein Unglück gewöhnt hatte und manchmal auch wieder lachen und scherzen konnte, so war er dennoch ein Träumer geworden, dessen junger Geist zwar durch einsames Nachdenken ungemein schnell reifte, der aber sein Innerstes keinem Menschen offenbarte.

Und heute, an seinem Geburtstage, war wieder einmal solch’ ein Tag, an dem der Knabe keinen Menschen sehen wollte. Vierzehn Jahre! Das ist der Termin, an dem die meisten die Kinderschuhe ablegen und zur ernsten Arbeit ins öffentliche Leben treten. Ach, welche hochfliegenden Pläne hatten er und seine Freunde gehabt, und wenn sie auch in kindlichen Köpfen entsprangen, in denen noch Indianerhäuptlinge, Seeräuber und Robinson eine Hauptrolle spielten, so waren sie doch auch mit ernsten Idealen vermischt gewesen. Wie gern wollte er heute der Sohn des ärmsten Tagelöhners sein und sich sein Brot mit der schwersten Arbeit verdienen, wenn er nur den Gebrauch seiner gesunden Glieder gehabt hätte! Doch das war vorbei, vorbei!

Seufzend griff er nach einem der vielen auf dem Tischchen liegenden Bücher. Es war Robinson Crusoe, der immer seine, wie wohl auch jedes anderen Knaben, Lieblingslektüre gewesen. Die anderen Bücher führten die Titel ‚Lederstrumpf‘, ‚Gullivers Reisen‘, ‚Zwanzigtausend Meilen unter dem Meere‘, ‚Reise von der Erde zum Monde‘, ‚Die Wunder der Urwelt‘ – alles phantastische Sachen.

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Robert Kraft: Der letzte Höhlenmensch. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_letzte_H%C3%B6hlenmensch.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)