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vollbringt Wunder wie unser Heiland selbst,“ sagte aber der Missionar feierlich. „Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie er feuerfest und unverwundbar ist, und wie er alle die ebenso macht, die sich seinem Willen unterwerfen. Ja, er ist ein Gesandter des Herrn, um die an den Indianern von uns Weißen verübten Greuelthaten zu rächen.“

„Was?“ schrie der Oberst. „Mensch, sind Sie wahrhaftig wahnsinnig? Fangt den roten Burschen, ich will doch sehen, ob er sich auch aus dem Kellerverließ wie der heilige Petrus herauszaubern kann.“

Sofort hatten sich die beiden Offiziere auf den Häuptling gestürzt, außerdem stürmten noch draußen bereitstehende Soldaten herein. Ruhig in seiner hoheitsvollen Würde stehen bleibend, hatte Todespfeil die beiden Offiziere dicht an sich herankommen lassen, als ergebe er sich in sein Schicksal. Doch jetzt ergriff er sie plötzlich mit einer blitzschnellen Bewegung, packte mit jeder Hand einen an der Brust, hob sie so ohne jede Anstrengung frei in die Luft, warf den einen auf den Oberst, daß dieser selbst zu Boden stürzte, schleuderte den anderen dem auf ihn losstürmenden Soldaten entgegen – und war mit einem leichten Satze aus dem offenstehenden Fenster entsprungen.

Der das Fenster zuerst erreichende Sergeant traute seinen Augen nicht. Das Fenster lag in der zweiten, sehr hohen Etage – und doch rannte der Häuptling schon über den Hof – mit ungebrochenen Gliedern.

„Schießt! Schießt!“ schrie der Oberst, der sich aufgerafft hatte und ebenfalls an das Fenster gesprungen war.

Mehrere Schüsse fielen. Keiner schien getroffen zu haben. Doch wohin wollte der Indianer? Er rannte gerade auf die vier Meter hohe Mauer zu, deren Sims kein Panther, viel weniger ein Mensch mit einem Sprung erreichen konnte. Wohl warf sich ihm die Schildwache, das Bajonett fällend, in den Weg und stieß zu, doch sie stieß nur in die Luft. Schon im nächsten Augenblicke stand der Häuptling auf den Schultern

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Robert Kraft: Der rote Messias. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_rote_Messias.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)