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– doch der Rammbaum tauchte daraus, von zweihundert Armen getragen, mit unverminderter Schnelligkeit hervor.

Noch mehrere Geschützsalven wurden abgegeben – aber ohne allen Erfolg, kein Mann stürzte.

„Himmel und Hölle!“ fluchte der Oberst mit aschbleichen Lippen. „Werden denn diese Rothäute wahrhaftig vom Teufel angeführt, oder bin ich behext? Einzelfeuer!“

Kanonen und Gewehre krachten, aber da donnerte auch schon der Rammwidder gegen das eiserne Thor, mit einem einzigen Stoße war es gesprengt, und die Indianer fluteten herein.

Es waren keine Feiglinge, welche die Fortbesatzung bildeten, sondern alles im Grenzkampfe erprobte Männer, und wie solche wollten sie sterben, im offenen Kampfe auf dem Hofe und sich nicht im Fort ausräuchern lassen, denn nun, da die Indianer einmal so weit gedrungen, war ja alles verloren.

Als erster stürmte ihnen der Oberst voran, den Degen in der Faust, und als erster stürzte er auch nieder, einen Pfeil im Herzen. Zum Kampf Mann gegen Mann kam es gar nicht, ein Pfeilhagel warf die ganze Garnison zu Boden.

„Kein Blaßgesicht wird gefangen genommen!“ übertönte jetzt Todespfeils Stimme das letzte Kampfgetöse, darauf eilte er in die Wachtstube, bemächtigte sich der Schlüssel und begab sich mit einigen anderen Häuptlingen in den Keller, wo die Branntweinfässer lagen. Diese wurden nun auf die Pulverkartätschen gesetzt, und dann legte man daran die Zündschnur.

Noch nicht einmal eine halbe Stunde hatte es gedauert, so sahen die Indianer, die sich zurückgezogen hatten, wie Fort Lamarie, in dem der ,ewige Friedens- und Freundschaftsvertrag‘ geschlossen wurde, der stets dem Worte, nie dem Sinne nach gehalten worden war, mit allen Toten und Lebendigen, die sich darin befanden, unter einer Feuergarbe, begleitet von ihrem Freudengeheul, in die Luft flog.

Dann aber richteten sich die Augen aller in ehrerbietigem Staunen, ja, fast mit geheimem Grausen, auf den Mann, der sich den Sohn des großen Geistes nannte.

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Robert Kraft: Der rote Messias. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_rote_Messias.pdf/22&oldid=- (Version vom 31.7.2018)