Seite:Der weiße Maulwurf.pdf/5

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Das friedliche Bild der stillen Parkstraße war mit einem Male gänzlich verändert.

Der Diener Josef Strahl, der infolge seiner geschwächten Kräfte angeblich nicht sofort Lärm geschlagen und soeben erst den Vorgarten erreicht hatte, meldete Lüning halb ohnmächtig vor Schreck das Geschehene, und als die Kriminalpolizei eintraf, war die durch Messerstiche schwer verletzte Tussi längst in das nahe Dahlem-Sanatorium geschafft worden, der Diener Strahl erlitt während seiner Vernehmung einen schweren Anfall von Herzschwäche und mußte gleichfalls in das Sanatorium gebracht werden, den Räuber hatte niemand so recht zu Gesicht bekommen, niemand sah, wohin er flüchtete, alle Nachforschungen blieben ergebnislos, inzwischen war auch Doktor Gerbert zurückgekehrt, doppelte Trauer war in das Haus Lüning eingezogen, vor kurzem war in dem Ostseebade Zinnowitz Frau Lünings Tante plötzlich verstorben, ein altes Fräulein namens Vilja Födösy, und nun lag auch Tussi Berkamp mit dem Tode ringend in dem weißen Krankengemach. –

Über alledem waren vier Tage verstrichen.

Die Zeitungen hatten über den Raubmordversuch sehr eingehend berichtet, die fleißigen Reporter hatten viel Material zusammengetragen, und besonders eins der kleineren Blätter Berlins, das notgedrungen auf grobe Sensation sich eingestellt hatte, der „Allerweltskurier“, schien über Dinge informiert zu sein, die nicht gerade an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden brauchten.

Zum Glück waren die Stichverletzungen Fräulein Berkamps doch nicht lebensgefährlich, der Diener Strahl tat bereits wieder Dienst, und in diesem Stadium der Angelegenheit wurden wir am 18. Mai durch den Besuch einer in tiefe Trauer gekleideten Dame überrascht, die sich als Frau Geraldine Lüning vorstellte und dann mit einiger Nervosität ihr unklares Anliegen vorbrachte.

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Der weiße Maulwurf. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1932, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_wei%C3%9Fe_Maulwurf.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)