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Wir beide hatten den Fall Berkamp natürlich genau verfolgt, Harald war jedoch nicht dazu zu bewegen gewesen, sich auf eine bestimmte Annahme hinsichtlich des Täters festzulegen, da hier Familienverhältnisse mitsprachen, die er bei seinem ausgesprochenen Reinlichkeitsgefühl nicht mit in seine Schlußfolgerungen einbeziehen wollte. Der „Allerweltskurier“ hatte da von drei anonymen Briefen gesprochen, von denen er der Polizei nur noch die Abschriften vorlegen konnte, da die Originale stets verbrannt würden. In einem der Briefe war auch Herr Baluschewski erwähnt worden, in einem anderen schien Doktor Gerbert eine Rolle zu spielen.

Und nun saß eine der Mitbetroffenen dieser Tragödie hier vor uns und fand offenbar nicht den Mut, ihre Wünsche und Befürchtungen in schlichte Worte zu kleiden.

Harald fragte denn auch schließlich:

„Ich verstehe noch immer nicht recht, gnädige Frau, weshalb Sie sich in dieser Sache an uns wenden. Die Kriminalpolizei ist an der Arbeit, und ich bin überzeugt, daß sie es an dem nötigen Eifer nicht fehlen lassen wird. Ihr Gatte ist ein sehr bekannter Großkaufmann.“

Frau Geraldine Lüning, in zweiter Ehe mit Siegfried Lüning, Generaldirektor der Lüning-Werke, seit zehn Jahren verheiratet, war eine schlanke Dame, die sich getrost für dreißig ausgeben durfte. Wir wußten, daß an diesen dreißig in Wahrheit neunzehn fehlten.

In ihrem Benehmen ganz große Dame, unterstrich sie noch über Gebühr jene müde Vornehmtuerei, die immerhin ein Gutes hat: Sie ist ein dichter Schleier für all die Charakterschwächen, die bei temperamentvollem Auftreten so leicht zur Bloßstellung des eigenen Ichs führen.

Haralds Frage konnte diese Frau nicht verwirren. Dazu war Frau Geraldine zu abgeklärt, zu stark gewappnet gegen jeglichen Angriff.

„Ich würde kein Mittel unversucht lassen, den Täter vor Gericht zu bringen“, erwiderte Frau Lüning und ordnete den

Empfohlene Zitierweise:
Max Schraut: Der weiße Maulwurf. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1932, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_wei%C3%9Fe_Maulwurf.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)