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ihres Hundes und auch der Hunde ihrer Freundinnen. Die Sache war schon zur Sitte geworden und die Juden, das sah der General vor Augen, würden furchtbar schreien, wenn man ihnen das Privilegium der Hunde, welches sie doch im ganzen Mittelalter genossen, jetzt im 19ten Jahrhundert nicht zugestände. Der General entschloss sich also, auf seine Verantwortung auch die Juden in den Brühlschen Garten zu lassen, wenn er nicht wegen Anwesenheit des Hofes geschlossen war. Die Indignation war gross, aber der alte Krieger bot ihr Trotz. Nun kamen die Russen. Der Generalgouverneur Repnin fand 1813 gar keinen Hof vor. Er dachte auch wohl, es käme vielleicht keiner wieder, und machte aus dem Brühlschen Garten die Brühlsche Terrasse mit der grossen Treppe und dem freien Zugange, den sie jetzt hat. Dies empörte das Herz aller Normalsachsen; und wären die Russen nicht so viel populärer gewesen, als die Preussen, es wäre eine Empörung ausgebrochen. So aber liess das Volk sich hinreissen, ja es schoss sogar die herrschaftlichen Fasanen im grossen Garten todt und liess sichs gefallen, dass die Russen auch diesen Spaziergang, der früher den Fasanen reservirt war, den Menschen eröffneten. Einer aber, der normalste von allen Sachsen, ein churfürstlicher Geheimer Rath, der noch lebt, hat den Russen ihre unpassende, alles zerstörende Neuerungssucht nie vergessen. Er erkennt weder die Brühlsche Terrasse noch den grossen Garten an. Er geht nie „die russische Treppe“ hinauf oder hinab, er kommt immer durch das legitime Pförtchen des ehemaligen „Brühlschen Gartens“, bringt nie einen Hund oder einen Juden mit und geht in der „Fasanerie“ nie anders als auf dem Mittelwege, der auch in der alten guten Zeit dem Publikum zu Fuss, ausser der Brutzeit der Fasanen, offen stand.

Gewiss ist der conservative Christ vernünftig, und wären alle Deutsche Normalsachsen oder gäb’ es keine Russen, die von Zeit zu Zeit kommen, um ihnen ihre Spaziergänge zu eröffnen oder gäb’ es keine Franzosen, die ihnen bei Jena die Zöpfe abschnitten, oder endlich gäb’ es keine Preussen und keine Neuerungssucht in den Köpfen ihrer christlichen und heidnischen Könige; - man lebte nirgends ruhiger als in Dresden. So aber sind für unser sächsisches Vaterland bei aller Herrlichkeit von Innen immer noch grosse Erschütterungen von Aussen zu fürchten. -

Die Welt ist vollkommen überall.
Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.

Empfohlene Zitierweise:
Ein Briefwechsel von 1843. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_034.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)