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frechen Tadel aber wird durch Prüfung der zur Begründung desselben aufgestellten Argumente und Thatsachen sich finden lassen.“

„Verschieden hievon ist jedoch das Urtheil über die politische Ueberzeugung des Schriftstellers. Principienfragen der Politik, Grundsätze des öffentlichen Wohls, Erörterungen über Gediegenheit oder Verwerflichkeit der Staatsverfassung und Staatseinrichtungen, über Mängel oder Vorzüge derselben, Untersuchungen über die Mittel jenen abzuhelfen und diese zu erhöhen, – alles dies kann nicht Gegenstand richterlicher Entscheidung sein. Erörterungen der Art gehören einem Gebiete an, von welchem die Wirksamkeit des Richters ausgeschlossen ist und deshalb sich fern halten muss. Die richterliche Wirksamkeit findet ihre natürliche und gesetzliche Begrenzung in der Sphäre des positiven Rechts; von jeder politischen Ansicht muss sie sich frei erhalten. Insoweit sie über Privatstreitigkeiten urtheilt, ist sie als Civil-Justitz; insoweit sie über Schuld oder Unschuld des eines Verbrechens angeklagten Individuums Recht spricht, – als Criminal-Justitz thälig. Eine Meinung aber kann als solche niemals ein Verbrechen sein; nur die Form, in welcher sie in die Oeffentlichkeit tritt, oder die Absicht, die bei der Veröffentlichung obwaltet, können strafbar sein. Nur Form und Absicht einer Schrift dürfen daher Vorwurf richterlicher Entscheidung sein; und je schwerer es oft wird, diese beiden von dem Inhalte der Schrift zu sondern, um so strenger ist die Verpflichtung des Richters sich selber zu überwachen, damit die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit seines Urtheils vor dem Einfluss der eigenen politischen Ueberzeugung gewahrt werde.“ – –




Diese vom Oberappellations-Senate ausgesprochenen Grundsätze werden demnächst auf die einzelnen Stellen der Schrift angewendet, welche von dem Richter erster Instanz – „in Uebereinstimmung mit der im Ministerium des Innern verfassten Anklage“ – als frech und unehrerbietig bezeichnet worden sind. In keinem Punkte wird dem ersten Erkenntnisse Recht gegeben; überall vielmehr die Deduktion desselben widerlegt, und sowohl die Wahrheit der in den Vier Fragen vorgebrachten Thatsachen, als die Schicklichkeit der gewählten Ausdrucksform beifällig anerkannt. –

In den Seite 8 der incriminirten Schrift befindlichen Worten:

Und welchen Antheil an der Regierung hat dieses an Sitte und Intelligenz so hoch stehende Volk? – Erröthend müssen wir gestehen: kaum den allergeringsten, –

Empfohlene Zitierweise:
Johann Jacoby: Urtheil des Ober-Apellations-Senats. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)