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darzuthun versucht. Wie sehr ihm dieser Versuch misslungen, wird von dem Verfasser des zweiten Erkenntnisses in jedem einzelnen Punkte und zum grossen Theil mit den in der Vertheidigungsschrift gebrauchten Worten nachgewiesen. Es genügt, hier einige Beispiele anzuführen:

S. 12 der incriminirten Schrift heisst es: Endlich steht es gar den Ministern (das Gesetz sagt: dem Könige) frei, die Stadtverordneten-Versammlung bei Partheiungen in derselben aufzulösen oder die Schuldigen auszuschliessen. –

Die ministerielle Anklage hat in diesen Worten eine

Anreizung zum Missvergnügen und einen Tadel des Monarchen gefunden, dem vorgeworfen werde, dass er zu dem Willen der Minister ohne Prüfung seinen Namen hergebe.

In Uebereinstimmung mit der ministeriellen Anklage erklärt das Erkenntniss erster Instanz, dass

Inkulpat die Sache so darzustellen suche, als ob die Auflösung der Stadtverordneten-Versammlung der Willkür der Minister Preiss gegeben sei. Obwohl des Königs Majestät sich in solchen Fällen wegen ihrer Wichtigkeit die Allerhöchst eigene Entscheidung vorbehalten haben, behaupte dennoch Inkulpat, dass dieser Vorbehalt nur zum Scheine geschehen sei, etc. –

Das Erkenntniss des Oberappellations-Senats nennt diese Auslegung „eine sehr gewagte,“ stellt derselben die Vertheidigung des Verfassers (s. Rechtfertigung S. 29 und Akten Vol. I, fol. 138[1]) entgegen und fährt dann also fort:

Den Worten des Schriftstellers einen Sinn unterzulegen, der weder aus den Worten selbst entnommen noch durch eine Beziehung gedeutet werden kann, ist – ein unstatthaftes Verfahren, namentlich, wenn es sich – wie in vorliegendem Falle – darum handelt zu entscheiden, ob Etwas strafbar sei oder nicht, und die Strafbarkeit erst aus dem untergelegten Sinne gefolgert wird. –


  1. Die aus dem Protokolle des achten Verhoers entnommene Stelle lautet: „Wenn ich hierbei der Minister erwaehnte, so geschah es nur deshalb, weil – der Erfahrung gemaess – in staedtischen Angelegenheilen meistens nur auf den Bericht des Ministers hin entschieden wird. So sind z. B. auf Grund des einseitigen Berichts des Ministers alle Intraden der Stadt Koenigsberg zu Gunsten des Kriegskontributionfonsds in Beschlag genommen worden, wiewohl selbige ihre besondern allerhoechstgenehmigten Bestimmungen hatten; dies geschah ohne die Betheiligten zu fragen und ohne die daraus entstehenden Verlegenheiten der Stadtverordneten zu berücksichtigen. Dieser und aehnliche Faelle waren mir Veranlassung der Minister zu erwaehnen, waehrend in dem Gesetze allerdings nur vom Koenig die Rede ist.“ –
Empfohlene Zitierweise:
Johann Jacoby: Urtheil des Ober-Apellations-Senats. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_062.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)