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soll nach der Behauptung des ersten Richters eine Herabwürdigung der preussischen Rechtspflege enthalten.

Das zweite Erkenntniss äussert sich also hierüber: „Wenn Inkulpat in Vergleich zu dem rheinischen öffentlichen Verfahren und mit Bezug auf den Bericht des Justiz-Ministers über Einführung des mündlichen Gerichtsverfahrens – das unsrige ein heimliches nennt, so mag dieser Ausdruck in so fern unpassend sein, als dabei der Punkt, worauf es bei der Vergleichung besonders ankommt, nicht getroffen, und daher der Streit über Oeffentlichkeit und Mündlichkeit auf ein fremdes Gebiet gezogen wird;([1]) frech aber ist der Ausdruck keineswegs, und eine Herabwürdigung der preussischen Justizpflege liegt eben so wenig darin.“ –




S. 17 der Schrift heisst es:

Die Unparteiligkeit wird bei gewöhnlichen Fällen nicht leicht fehlen; wo aber irgend die Minister oder was sie den Staat nennen, beiheiligt ist, dürfte diese Richtertugend in eine harte Collision mit den persönlichen Interessen gerathen; denn – abgesehen von dem subordinirten Verhältnisse – ist Gehaltserhöhung, Beförderung, Versetzung, die ganze Zukunft jedes Justizdieners von dem Willen des Ministers abhängig, etc. –

Dem ersten Erkenntnisse zufolge soll die in diesen Worten enthaltene „Verunglimpfung der Richter und ihrer Vorgesetzten in die Augen springen.“ –

Dagegen erklärt das Urtheil zweiter Instanz: „Es ist gewiss, dass bei einem gewissenhaften Richter, der Kraft genug hat, jeden Gedanken an weltliche Vortheile von sich fern zu halten, es keiner weitern Garantie bedarf; eben so gewiss aber, dass es auch unter den Richtern schwächere Naturen giebt, welche sich dem Einflusse jener äussern, von dem Willen ihrer Vorgesetzten abhängigen Vortheile nicht ganz zu entziehen vermögen. Wenn gleich solche Fälle – zum Ruhme der preussischen Justiz – bei uns nur äusserst selten vorkommen dürften, so heisst es doch sicherlich zu weit gegangen,


  1. Wahrscheinlich meint hier der Richter den Unterschied zwischen dem Accusations- und dem Inquisitionsverfahren. Bei einer juristischen Vergleichung mag dieser Punkt allerdings der wichtigste sein; in der vorliegenden Schrift aber, die nur beweisen will, dass „die richterliche Staatsthaetigkeit der Einsicht wie der Mitwirkung des Volks gaenzlich entzogen ist,“ musste gerade die Heimlichkeit des Gerichtsverfahrens vor allen andern Punkten hervorgehoben werden.
    A. d. H.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Jacoby: Urtheil des Ober-Apellations-Senats. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_064.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)