Seite:Deutsch Franz Jahrbücher (Ruge Marx) 091.jpg

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Dass die Praxis mit dieser Theorie übereinstimmt, kann mir jeder Kaufmann, wenn er der Wahrheit die Ehre geben will, bezeugen.

Das Merkantilsystem hatte noch eine gewisse unbefangene, katholische Geradheit, und verdeckte das unsittliche Wesen des Handels nicht im Mindesten. Wir haben gesehen, wie es seine gemeine Habsucht offen zur Schau trug. Die gegenseitig feindselige Stellung der Nationen im achzehnten Jahrhundert, der ekelhafte Neid und die Handelseifersucht waren die konsequenten Folgen des Handels überhaupt. Die öffentliche Meinung war noch nicht humanisirt, was sollte man also Dinge verstecken, die aus dem unmenschlichen feindseligen Wesen des Handels selbst folgten.

Als aber der oekonomische Luther, Adam Smith, die bisherige Oekonomie kritisirte, hatten sich die Sachen sehr geändert. Das Jahrhundert war humanisirt, die Vernunft hatte sich geltend gemacht, die Sittlichkeit fing an ihr ewiges Recht in Anspruch zu nehmen. Die erpressten Handelstraktate, die commerziellen Kriege, die schroffe Isolirung der Nationen stiessen zu sehr gegen das fortgeschrittene Bewusstsein an. An die Stelle der katholischen Geradheit trat protestantische Gleissnerei. Smith bewies, dass auch die Humanität im Wesen des Handels begründet sei; dass der Handel, anstatt „die fruchtbarste Quelle der Zwietracht und der Feindseligkeit“ zu sein, ein „Band der Einigung und Freundschaft zwischen den Nationen, wie zwischen Individuen“ (vgl. Wealth of Nations B. 4, c. 3, § 2) werden müsse; es liege ja in der Natur der Sache, dass der Handel im Ganzen und Grossen allen Betheiligten vortheilhaft sei.

Smith hatte Recht, wenn er den Handel als human pries. Es gibt nichts absolut Unsittliches in der Welt; auch der Handel hat eine Seite, wo er der Sittlichkeit und Menschlichkeit huldigt. Aber welch eine Huldigung! Das Faustrecht, der platte Strassenraub des Mittelalters wurde humanisirt, als er in den Handel, der Handel, als seine erste Stufe, welche sich durch das Verbot der Geldausfuhr charakterisirt, in das Merkantilsystem überging. Jetzt wurde dieses selbst humanisirt. Natürlich ist es im Interesse des Handelnden, mit dem einen, von welchem er wohlfeil kauft, wie mit dem andern, an welchen er theuer verkauft, sich in gutem Vernehmen zu halten. Es ist also sehr unklug von einer Nation gehandelt, wenn sie bei ihren Versorgern und Kunden eine feindselige Stimmung nährt. Je freundschaftlicher, desto vortheilhafter. Dies ist die Humanität des Handels, und diese gleissnerische Art, die Sittlichkeit zu unsittlichen Zwecken zu missbrauchen, ist der Stolz des