Seite:Deutsch Franz Jahrbücher (Ruge Marx) 169.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bis man etwas Besseres zu sagen habe. Weshalb sollte das glückliche Schweigen durch Getöse gebrochen werden, um nur solch Zeug auszuschreien? Wenn die Vergangenheit keine göttliche Vernunft in sich hat, sondern blos teuflische Unvernunft, so vergeht sie auf ewig, sprecht nicht mehr von ihr; uns, deren Väter alle gehangen worden, ziemt es schlecht, von Stricken zu schwatzen! „An die Geschichte aber kann das moderne England nicht glauben.“ Das Auge sieht von allen Dingen nur soviel, als es nach seiner ihm, inhärenten Fähigkeit sehen kann. Ein gottloses Jahrhundert kann keine gotterfüllten Epochen begreifen. Es sieht in der Vergangenheit (dem Mittelalter) nur leere Zwietracht, die allgemeine Herrschaft der rohen Gewalt, es sieht nicht, dass am Ende Macht und Recht zusammenfallen, es sieht blosse Dummheit, wilde Unvernunft, eher für Bedlam als für eine menschliche Welt passend. Woraus denn natürlich folgt, dass dieselben Eigenschaften in unserer Zeit zu herrschen fortfahren sollten. Millionen festgebannt in Bastillen; irische Wittwen, die ihre Menschheit durch Typhusfieber beweisen; es ist immer so gewesen, oder schlimmer; was verlangt Ihr anders? Was anders ist die Geschichte gewesen, als die Aussaugung verstockter Dummheit durch erfolgreiche Quacksalberei? Kein Gott war in der Vergangenheit, nichts als Mechanismus und chaotisch-bestialische Götzen; wie soll der arme „philosophische Geschichtschreiber,“ dem sein eigen Jahrhundert so ganz gottverlassen ist, den Gott in der Vergangenheit sehen?

Aber so ganz verlassen ist unsre Zeit doch nicht. Ja, in unsrem armen zersplitterten Europa selbst, haben sich nicht in diesen neuesten Zeiten religiöse Stimmen erhoben, mit einer neuen, und zugleich der ältesten Religion, unbestreitbar den Herzen aller Menschen? Einige kenne ich, die sich nicht Propheten hiessen oder glaubten, aber die in Wahrheit wieder einmal volltönende Stimmen waren aus dem ewigen Herzen der Natur, Seelen ewig ehrwürdig allen, die eine Seele haben. Eine französische Revolution ist ein Phänomen; als Ergänzung und geistiger Exponent derselben ist mir ein Dichter Goethe und eine deutsche Litteratur auch ein Phänomen. Wenn die alte weltliche oder praktische Welt in Feuer aufgegangen ist, ist dann nicht hier die Weissagung und das Morgenroth einer neuen geistigen Welt, der Mutter von weit edleren, weiteren, neuen, praktischen Welten? Ein Leben antiker Hingebung, antiker Wahrheit und antiken Heldensinns ist wieder möglich geworden, ist hier wirklich sichtbar für den modernsten Menschen, ein Phänomen, in

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Engels: Die Lage Englands. In: Deutsch-Französische Jahrbücher. Bureau der Jahrbücher, Paris 1844, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_169.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)