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Kühnheit, Schärfe, Geist, Gründlichkeit in einer ebenso präcisen, als kernigen und energievollen Schreibweise.

Wie also löst Bauer die Judenfrage? Welches das Resultat? Die Formulirung einer Frage ist ihre Lösung. Die Kritik der Judenfrage ist die Antwort auf die Judenfrage. Das Resumé also Folgendes:

Wir müssen uns selbst emancipiren, ehe wir andere emancipiren können.

Die starrste Form des Gegensatzes zwischen dem Juden und dem Christen ist der religiöse Gegensatz. Wie löst man einen Gegensatz? Dadurch dass man ihn unmöglich macht. Wie macht man einen religiösen Gegensatz unmöglich? Dadurch dass man die Religion aufhebt. Sobald Jude und Christ ihre gegenseitigen Religionen nur mehr als verschiedene Entwickelungsstufen des menschlichen Geistes, als verschiedene von der Geschichte abgelegte Schlangenhäute und den Menschen als die Schlange erkennen, die sich in ihnen gehäutet, stehn sie nicht mehr in einem religiösen, sondern nur noch in einem kritischen, wissenschaftlichen, in einem menschlichen Verhältnisse. Die Wissenschaft ist dann ihre Einheit. Gegensätze in der Wissenschaft lösen sich aber durch die Wissenschaft selbst.

Dem deutschen Juden namentlich stellt sich der Mangel der politischen Emancipation überhaupt und die prononcirte Christlichkeit[1] des Staats gegenüber. In Bauers Sinn hat jedoch die Judenfrage eine allgemeine von den specifisch-deutschen Verhältnissen unabhängige Bedeutung. Sie ist die Frage von dem Verhältniss der Religion zum Staat, von dem Widerspruch der religiösen Befangenheit und der politischen Emancipation. Die Emancipation von der Religion wird als Bedingung gestellt, sowohl an den Juden, der politisch emancipirt sein will, als an den Staat, der emancipiren und selbst emancipirt sein soll.

«Gut, sagt man, und der Jude sagt es selbst, der Jude soll auch nicht als Jude, nicht weil er Jude ist, nicht weil er ein so treffliches allgemein menschliches Prinzip der Sittlichkeit hat, emancipirt werden, der Jude wird vielmehr selbst hinter dem Staatsbürger zurücktreten und Staatsbürger sein trotz dem, dass er Jude ist und Jude bleiben soll: d. h. er ist und bleibt Jude, trotz dem, dass er Staatsbürger ist und in allgemeinen menschlichen Verhältnissen lebt: sein jüdisches und beschränktes Wesen trägt immer und zuletzt über seine menschlichen und politischen Verpflichtungen den Sieg davon. Das Vorurtheil bleibt trotz dem, dass es von


  1. korrigiert, im Text Chrislichkeit
Empfohlene Zitierweise:
Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: Bureau der Jahrbücher, 1844, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_184.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)