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und Vorurtheile unterscheiden und als Privilegium die Erlaubniss bekommen, sich gegenseitig von einander abzuschliessen, etc. P. 56.

Allein Bauer sagt selbst: «Die Politik, wenn sie nichts als Religion sein soll, darf nicht Politik sein, sowenig, wie das Reinigen der Kochtöpfe, wenn es als Religionsangelegenheit gelten soll, als eine Wirtschaftssache betrachtet werden darf.» P. 108. Im christlich germanischen Staat ist aber die Religion eine «Wirthschaftssache,» wie die «Wirthschaftssache» Religion ist. Im christlich germanischen Staat ist die Herrschaft der Religion die Religion der Herrschaft.

Die Trennung des «Geistes des Evangeliums» von den «Buchstaben des Evangeliums» ist ein irreligiöser Akt. Der Staat, der das Evangelium in den Buchstaben der Politik sprechen lässt, in andern Buchstaben, als den Buchstaben des heiligen Geistes, begeht ein Sakrilegium, wenn nicht vor menschlichen Augen, so doch vor seinen eigenen religiösen Augen. Dem Staat, der das Christenthum als seine höchste Norm, der die Bibel als seine Charte bekennt, muss man die Worte der heiligen Schrift entgegenstellen, denn die Schrift ist heilig bis auf das Wort. Dieser Staat sowohl, als das Menschenkehricht, worauf er basirt, geräth in einen schmerzlichen, vom Standpunkt des religiösen Bewusstseins aus unüberwindlichen Widerspruch, wenn man ihn auf diejenigen Aussprüche des Evangeliums verweist, die er «nicht nur nicht befolgt, sondern auch nicht einmal befolgen kann, wenn er sich nicht als Staat vollständig auflösen will.» Und warum will er sich nicht vollständig auflösen? Er selbst kann darauf weder sich, noch andern antworten. Vor seinem eignen Bewusstsein ist der officielle christliche Staat ein Sollen, dessen Verwirklichung unerreichbar ist, der die Wirklichkeit seiner Existenz nur durch Lügen vor sich selbst zu konstatiren weiss und sich selbst daher stets ein Gegenstand des Zweifels, ein unzuverlässiger, problematischer Gegenstand bleibt. Die Kritik befindet sich also in vollem Rechte, wenn sie den Staat, der auf die Bibel provocirt, zur Verrücktheit des Bewusstseins zwingt, wo er selbst nicht mehr weiss, ob er eine Einbildung oder eine Realität ist, wo die Infamie seiner weltlichen Zwecke, denen die Religion zum Deckmantel dient, mit der Ehrlichkeit seines religiösen Bewusstseins, dem die Religion als Zweck der Welt erscheint, in unauflöslichen Conflict geräth. Dieser Staat kann sich nur aus seiner innern Qual erlösen, wenn er zum Schergen der katholischen Kirche wird. Ihr gegenüber, welche die weltliche Macht für ihren dienenden

Empfohlene Zitierweise:
Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Deutsch-Französische Jahrbücher, Paris: Bureau der Jahrbücher, 1844, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsch_Franz_Jahrb%C3%BCcher_(Ruge_Marx)_196.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)