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Wilhelm Goldbaum: Wilhelmine von Hillern. Eine literarische Studie.

Wilhelmine von Hillern.
Eine literarische Studie.
Von
Wilhelm Goldbaum.

Wer sich mit dem Capitel von der Frauenschriftstellerei auseinandersetzen will, thut am besten diplomatisch, das heißt von „Fall zu Fall“ zu verfahren. Er entgeht dadurch der doppelten Unzukömmlichkeit, unfruchtbare und gehässige Arbeit zu verrichten. Unfruchtbare, weil trotz aller guten und berechtigten Einwände die Frauen, die sich berufen fühlen, doch nicht vom Schreiben ablassen werden; gehässige, weil der beste Wille und die zarteste Bemühung, einer weiblichen Hand die Feder zu entwinden, von den Betroffenen auf den Gegensatz des Geschlechtes zurückgeführt werden und ihnen als mala fides erscheinen wird. Man kann getrost George Sand so hoch stellen, wie sie es verdient, ohne daß etwa Fanny Lewald sich dadurch verletzt fühlt, und Louise Mühlbach so tief stellen, wie sie es verdient, ohne daß Betty Paoli sich darüber freut. Die literarischen Frauen besitzen keinen esprit de corps. Aber man darf nur, wie es geschehen, George Sand einen „großen Dichter“ nennen und sofort kommt der Hochmuth des „starken Geschlechtes“ in Frage, das die Concurrenz einer großen Dichterin nicht aufkommen lasse. Gegen solche Empfindlichkeiten ist mit Gründen nicht anzukämpfen und die bloße Thatsache, daß sie vorhanden sind, könnte vielleicht als das schlagendste Argument gegen die allgemeine Berechtigung der Frauenschriftstellerei geltend gemacht werden.

Indessen nicht polemische Zwecke sind es, denen diese flüchtigen Bemerkungen dienen sollen; vielmehr soll mit denselben gesagt sein, daß es überhaupt eine falsche Voraussetzung ist, auf welche zumeist die Discussion über Werth und Berechtigung der Frauenschriftstellerei basirt wird. So lange Jenen, welche sich im Allgemeinen ablehnend verhalten, während sie in jedem einzelnen Falle gerecht und unbefangen urtheilen, mit Emphase eingewendet wird, sie vertrügen literarische Großthaten, von Frauenhand verrichtet, nur deshalb nicht, weil der Frau schlechthin der literarische Ruhm mißgönnt werde; so lange andererseits nicht eine Umwälzung in den physiologischen Bedingungen und in denen der Erziehung, welche das Schaffen der Frau bestimmen, vollbracht ist, wird es

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Goldbaum: Wilhelmine von Hillern. Eine literarische Studie.. Deutsche Rundschau. Herausgegeben von Julius Rodenberg. Gebrüder Paetell., Berlin 1880, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DeutscheRundschau_1880_23_104.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)