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J. Fölsche: Kettenschiffahrt auf der Elbe und auf der Seine. In: Deutsche Bauzeitung, 1. Jg. 1867, S. 306–307 und S. 314–316

Kettenschiffahrt auf der Elbe und auf der Seine.
(Quellen: „The Engineer“; Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Heft 3 und 4, 1867.)

Die Elbe theilt sich oberhalb Magdeburg in 2 Arme, von denen der westliche, die „Strom-Elbe,“ an welchem Magdeburg liegt, für die Schiffahrt bestimmt ist, während der östliche, die alte Elbe, den Haupt-Strom aufnehmen würde, wenn er nicht durch ein Wehr koupirt wäre und demzufolge nur das Hochwasser und den Haupteisgang abführte. Die Strom-Elbe hat in der unmittelbaren Nähe von Magdeburg ein felsiges Bett, das bis zum Jahre 1863 die Schiffahrt behinderte, weil die Felsen zu Tage traten. Ueberdies bildet die Elbe in der Nähe der Brücke in Magdeburg eine Stromschnelle, welche für gewöhnliche Schiffe und unter gewöhnlichen Verhältnissen nur schwer zu passiren ist. Die Schiffahrt umging das Felsenriff und die Stromschnelle bis zum Jahre 1866 vermittelst der Schleuse, die in der Nähe der Zitadelle liegt und in den Winterhafen, die sogenannte „Zollelbe“ einführt, welche sich unterhalb Magdeburg mit der alten Elbe und Stromelbe wieder vereinigt.

Im Jahre 1862 legte die Magdeburg-Leipziger Eisenbahn-Gesellschaft zwei hydraulische Krahne an, welche die Güter aus den Elbschiffen in die Waggons und umgekehrt befördern sollten; die Eisenbahngesellschaft stellte auf diese Weise die Verbindung ihrer Güterstation in Magdeburg mit der Elbe her und musste Bedacht nehmen, das Felsenriff, welches gerade da lag, wo die Krahne standen und die Schiffe anlegen sollten, zu beseitigen. Es wurden im Herbst 1862 Sprengungen unter Wasser ausgeführt, die so schnell und glücklich von Statten gingen, dass die Regierung sich zur Fortsetzung derselben und zur Beseitigung des ganzen Felsenriffes in der Elbe, soweit dasselbe die Schiffahrt behinderte, entschloss.

Im Jahre 1863 war das Felsenriff entfernt, aber die Stromschnelle noch geblieben, so dass die neu gebildete Wasserstrasse nur von einzelnen Dampfschiffen oder von Kähnen benutzt werden konnte, die stromabwärts gingen und durch die Stromschnelle sackten. Ausser der erwähnten Stromschnelle ist noch ein zweites Hinderniss für die Schiffahrt oberhalb Magdeburg in der Brücke der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn vorhanden, welche eine so ungünstige Stellung gegen den Stromstrich einnimmt, dass es in den letzten Jahren wiederholt vorkam, dass Elbkähne gegen die Pfeiler dieser Brücke getrieben und an denselben zerschellt sind.

Alle diese Hindernisse zu beseitigen, entschloss sich nun die Magdeburger Dampfschiffahrts-Kompagnie, eine Kettenschiffahrt nach französischen Mustern einzuführen und eine Kette von Buckau aus durch die beiden Elbbrücken bis nach der unterhalb Magdeburg belegenen Vorstadt „Neustadt“ zu legen. Seitdem diese Kettenschiffahrt eingeführt ist, brauchen die Elbkähne nicht mehr die Magdeburger Schleuse zu passiren, sondern werden von der Neustadt aus in dem Zeitraum von etwa einer halben Stunde durch ein an der Kette laufendes Dampfschiff bis nach Buckau getreidelt, während sie früher oft Tage auf die Passage durch die Schleuse verwenden mussten. Die Kosten des Treidelns auf dieser Strecke von ca. 1/2 Meile betragen für jedes Schiff im Durchschnitt 51/2 Thlr., während das Passiren der Schleuse mit grösseren Kosten verbunden ist, die Schiffer erlangen also durch die Benutzung des Kettenschiffes nicht allein einen pekuniären Vortheil, sondern gewinnen auch an Zeit; deshalb benutzen auch alle Schiffe, soweit dieselben die Masten ihrer Fahrzeuge legen, den Kettendampfer, und sehen in dem neuen Unternehmen eine Stütze ihrer Interessen.

Das Dampfschiff schleppt gewöhnlich drei Elbkähne zu gleicher Zeit und hat durchschnittlich pro Tag 4 Tonnen (8,8 Hektoliter) Steinkohlen gebraucht. Zu seiner Bedienung reichen 5 Menschen aus, während ein Raddampfer deren 10 gebraucht; die Betriebskosten stellen sich also sehr billig, und aus diesem Grunde rentirt das Unternehmen ganz vorzüglich, so dass man mit dem Gedanken umgeht, die Kettenschiffahrt auf eine weitere Strecke, womöglich bis nach Hamburg hin auszudehnen. Wenn man bedenkt, dass die Elbkähne jetzt sehr häufig 4 Wochen und längere Zeit auf ihrer Reise von Hamburg bis nach Magdeburg verbleiben, und dass dieselben nicht selten bei Hochwasser abfahren und auf ihrer Fahrt, wegen des inzwischen eingetretenen niedrigen Wassers, stecken bleiben, so liegt es allerdings klar zu Tage, wie vortheilhaft die Touage für die Schiffahrt sein muss, welche die Schiffe mit Bestimmtheit und regelmässig in 3mal 24 Stunden von Hamburg nach Magdeburg führen kann. Die Schiffer sind dann im Stande, bei dem 4. Theil der Mannschaften ihre Fahrt

Empfohlene Zitierweise:
J. Fölsche: Kettenschiffahrt auf der Elbe und auf der Seine. In: Deutsche Bauzeitung, 1. Jg. 1867, S. 306–307 und S. 314–316. Carl Beelitz, Berlin 1867, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Bauzeitung_1867_p306.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)