Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 012.jpg

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weil er nirgends Blößen gibt und die rechte Kühnheit hat. In diesen Volkssagen steckt auch eine so rege Gewalt der Ueberraschung, vor welcher die, überspannteste Kraft der aus sich blos schöpfenden Einbildung zuletzt immer zu Schanden wird und bei einer Vergleichung beider würde sich ein Unterschied dargeben, wie zwischen einer geradezu ersonnenen Pflanze und einer neu aufgefundenen wirklichen, bisher von den Naturforschern noch unbeobachteten, welche die seltsamsten Ränder, Blüten und Staubfäden gleich aus ihrem Innern zu rechtfertigen weiß oder in ihnen plötzlich etwas bestätiget, was schon in andern Gewächsen wahrgenommen worden ist. Ähnliche Vergleichungen bieten die einzelnen Sagen untereinander, so wie mit solchen, die uns alte Schriftsteller aufbewahrt haben, in Ueberfluß dar. Darum darf ihr Innerstes bis ins kleinste nicht verletzt und darum müssen Sache und Thatumstände lügenlos gesammelt werden. An die Worte war sich, so viel thunlich, zu halten, nicht an ihnen zu kleben.

III. Mannichfaltigkeit der Sammlung.

Das zweite, eigentlich schon im ersten mitbegriffene Hauptstück, worauf es bei einer Sammlung von Volkssagen anzukommen scheint, bestehet darin, daß man auch ihre Mannichfaltigkeit

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite XII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_012.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)