Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 044.jpg

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sie durch den Wald fährt, an der Spitze des wütenden Heers. Bald zeigt sie sich als eine schöne weiße Frau in oder auf der Mitte des Teichs, bald ist sie unsichtbar und man hört blos aus der Tiefe ein Glockengeläut und finsteres Rauschen.


5.
Frau Holla zieht umher.
Prätor. Weihnachtsfratzen prop. 54.

In der Weihnacht fängt Frau Holla an herumzuziehen, da legen die Mägde ihren Spinnrocken aufs neue an, winden viel Werk oder Flachs darum und lassen ihn über Nacht stehen. Sieht das nun Frau Holla, so freut sie sich und sagt:

so manches Haar,
so manches gutes Jahr.

Diesen Umgang hält sie bis zum großen Neujahr, d. h. den Heiligen drei Königstag, wo sie wieder umkehren muß nach ihrem Horselberg; trifft sie dann unterwegens Flachs auf dem Rocken, zürnt sie und pricht:

so manches Haar,
so manches böses Jahr.

Daher reißen Feier-Abends vorher alle Mägde sorgfältig von ihren Rocken ab, was sie nicht abgesponnen haben, damit nichts dran bleibe und ihnen übel ausschlage.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_044.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)