Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 067.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
25.
Der verzauberte König zu Schildheiß.
Volksbuch vom Ritter Eginhard. S. 42 ff.

Das alte Schloß Schildheiß, in einer wüsten Wald- und Berggegend von Deutschböhmen sollte aufs neue gebaut und wiederhergestellt werden. Als die Werkmeister und Bauleute die Trümmer und Grundfesten untersuchten, fanden sie Gänge, Keller und Gewölbe unter der Erden in großer Menge, mehr als sie gedacht, in einem Gewölbe saß ein gewaltiger König im Sessel, glänzend und schimmernd von Edelgestein und ihm zur Rechten stund unbeweglich eine holdselige Jungfrau, die hielt dem König das Haupt, gleich als ruhete es drinnen. Als sie nun vorwitzig und beutegierig näher traten, wandelte sich die Jungfrau in eine Sehlange, die Feuer spie, so daß alle weichen mußten. Sie berichteten aber ihren Herrn von der Begebenheit, welcher alsbald vor das bezeichnete Gewölbe ging und die Jungfrau bitterlich seufzen hörte. Nachher trat er mit seinem Hund in die Höhle, in der sich Feuer und Rauch erzeigte, so daß der Ritter etwas zurückwich und seinen Hund der vorausgelaufen war, für verloren hielt. Das Feuer verlosch und wie er sich von neuem näherte, sah er daß die Jungfrau seinen Hund unbeschädigt im Arme hielt und eine Schrift an der Wand, die ihm Verderben drohte. Sein Muth trieb ihn aber nachher dennoch an, das Abentheuer zu wagen und er wurde von den Flammen verschlungen.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_067.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)