Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 178.jpg

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du sehen, was ich habe.“ Es kam mir gar verwunderlich vor, daß ich mein Weib sollte reden hören, die ich doch nicht sah, und noch seltsamer, daß ich ihren Schatten an der Sonne wandeln sah und sie selbst nicht. Und da sie sich besser zu mir in den Schatten näherte, so daß sie selbst keinen Schatten mehr warf, weil sie sich nunmehr außerhalb dem Sonnenschein im Schatten befand, konnte ich gar nichts mehr von ihr merken, außer, daß ich ein kleines Geräusch vernahm, welches sie beides mit ihrem Fußtritt und ihrer Kleidung machte, welches mir vorkam, als ob ein Gespenst um mich her gewesen wäre; sie setzte sich zu mir und gab mir das Nest in die Hand, sobald ich dasselbige empfangen, sah ich sie wiederum, hingegen sie aber mich nicht; solches probirten wir oft mit einander und befanden jedesmal, daß dasjenige, so das Nest in Händen hatte, ganz unsichtbar war. Drauf wickelte sie das Nestlein in ein Nasentüchel, damit der Stein, oder das Kraut oder Wurzel, welches sich im Nest befand und solche Wirkung in sich hatte, nicht herausfallen sollte und etwan verloren würde, und nachdem sie solches neben sich gelegt, sahen wir einander wiederum, wie zuvor, ehe sie auf den Baum gestiegen; das Nestnastüchel sahen wir nicht, konnten es aber an demjenigen Ort wohl fühlen, wohin sie es geleget hatte.

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)