Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 215.jpg

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eine grüne gläserne Schale, legte darein ein anderes goldfarbenes Seiden-Tuch und setzte endlich auf dieses eine ziemlich große krystallene Kugel, welche sie aber mit einem weißen Tuche wieder deckte. Dann begann sie, unter wunderlichen Gebährden, etwas bei sich selbst zu murmeln und nachdem das geendigt war, nahm sie mit großer Ehrerbietung die Kugel, rief die Jungfrau und ihren Begleiter zu sich ans Fenster und hieß sie hineinschauen.

Anfangs sahen sie nichts, nun aber trat in dem Krystall die Braut hervor in überaus köstlicher Kleidung; eben so prächtig angethan, als wäre heut ihr Hochzeittag. So herrlich sie erschien, so sah sie doch betrübt und traurig aus, ja ihr Antlitz hatte eine solche Todten-Farbe, daß man sie ohne Mitleid nicht betrachten konnte. Die Jungfrau schaute ihr Bild mit Schrecken an, der aber bald noch größer ward, als gerade gegenüber ihr Liebster hervorkam, mit so grausamen und gräßlichen Gesichtszügen, der sonst ein so freundlicher Mensch war, daß man hätte erzittern mögen. Er trug, wie einer der von einer Reise kommt, Stiefel und Sporn und hatte einen grauen Mantel mit goldnen Knöpfen um. Er holte daraus zwei neublinkende Pistolen hervor und, indem er in jede Hand eine faßte, richtete er die eine auf sein Herz, die andere setzte er der Jungfrau an die Stirne. Die Zuschauer wußten vor Angst weder aus noch ein, sahen aber, wie er die eine Pistole, die er an die Stirne seiner Liebsten gesetzt, losdrückte, wobei sie einen dumpfen,

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_215.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)