Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 226.jpg

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wohl ausgegossen und ohne Fehl; voll Freuden kehrte der Meister in die Stube zurück und sah nun erst, was für Uebels er gethan hatte. Der Lehrjung war verblichen, der Meister wurde eingezogen und von den Richtern zum Schwert verurtheilt. Immittelst war auch die Glocke aufgezogen worden, da bat der Glockengießer flehentlich: ob sie nicht noch geläutet werden dürfte, er möchte ihren Resonanz auch wohl hören, da er sie doch zugerichtet hätte, wenn er die Ehr vor seinem letzten End von den Herren haben könnte. Die Obrigkeit ließ ihm willfahren und seit der Zeit wird mit dieser Glocke allen armen Sündern, wenn sie vom Rathhaus herunterkommen, geläutet. Die Glocke ist so schwer, daß wenn man funfzig Schläge gezogen hat, sie andere funfzig von selbst gehet.


126.
Der Glockenguß zu Attendorn.
Simplicissimus, Rathstübel cap. 8.

Zu Attendorn, einem cölnischen Städtchen in Westphalen, wohnte bei Menschengedenken eine Wittwe, die ihren Sohn nach Holland schickte, dort die Handlung zu lernen. Dieser stellte sich so wohl an, daß er alle Jahr seiner Mutter von dem Erwerb schicken konnte. Einmal sandte er ihr eine Platte von purem Gold, aber schwarz angestrichen, neben andern Waaren. Die Mutter, von dem Werth des Geschenks unberichtet,

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_226.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)