Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 238.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

jener, Sprache gelange. Er hieß sie zubereiten, verbot aber dem Diener bei Lebensstrafe, nichts davon zu genießen. Darauf aß er so viel, als er vermogte, aber ein weniges blieb übrig und wurde auf der Schüssel wieder hinausgetragen; da konnte der vom Verbot gereizte Diener seiner Lust nicht widerstehen und aß es. Dem Grafen aber fielen nach dem Genuß alsbald alle je begangenen Sünden und Frevel aufs Herz und standen so hell vor ihm, daß die Gedanken sich nicht davon abwenden konnten und er vor Angst sich nicht zu lassen wußte. „Mir ist, so heiß, sprach er, als wenn ich die Hölle angeblasen hätte!"“ Er ging hinab in den Garten, da trat ihm ein Bote entgegen und sprach: „eben ist eure Schwester an den Folgen der Sünde, zu der ihr sie gezwungen habt, gestorben.“ Der Graf wendete sich in seiner Angst nach dem Schloßhof zurück, aber da ging alles Gethier, das darin war: die Hühner, Enten, Gänse, auf und ab und sprachen untereinander von seinem ruchlosen Leben und entsetzlichen Frevel, den er all vollbracht, und die Sperlinge und die Tauben auf dem Dache mengten sich in das Gespräch und riefen Antwort herab. „Nun aber, sagten sie, haben die Sünden ihr volles Maas und das Ende ist gekommen: in kurzer Stunde werden die prächtigen Thürme umfallen und die ganze Burg wird versunken seyn.“ Eben als der Hahn gewaltig auf dem Dache krähte, trat der Diener, der von der Schlange gegessen hatte, herzu und der Graf, der ihn versuchen wollte, fragte: „was ruft der Hahn?“ Der Diener,

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_238.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)