Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 239.jpg

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der in der Angst sich vergaß und es wohl verstand, antwortete: „er ruft: eil! eil! eh die Sonne untergeht, willst du dein Leben retten, eil eil! aber zieh allein!“ „O du Verräther, sprach der Graf, so hast du doch von der Schlange gegessen, packe zusammen, was du hast, wir wollen entfliehen.“ Der Diener lief hastig ins Schloß, aber der Graf sattelte sich selbst sein Pferd und schon war er aufgesessen und wollte hinaus, als der Diener zurückkam, leichen-blaß und athemlos ihm in die Zügel fiel und flehentlich bat, ihn mitzunehmen. Der Graf schaute auf und als er sah, wie die letzte Sonnen-Röthe an den Spitzen der Berge glühte und hörte, wie der Hahn laut kreischte: „eil! eil! eh die Sonne untergeht, aber zieh allein!“ da nahm er sein Schwert, zerspaltete ihm den Kopf und sprengte über die Zugbrücke hinaus. Er ritt auf eine kleine Anhöhe bei dem Städtchen Gieboldehausen, da schaute er sich um, und als er die Thurmspitzen seines Schlosses noch im Abendroth glänzen sah, däuchte ihm alles ein Traum und eine Betäubung seiner Sinne. Plötzlich aber fing die Erde an, unter seinen Füßen zu zittern, erschrocken ritt er weiter und als er zum zweitenmal sich umschaute, waren Wall, Mauern und Thürme verschwunden und an des Schlosses Stelle ein großer See.

Nach dieser wundervollen Errettung bekehrte sich der Graf und büßte seine Sünden im Kloster Gieboldehausen, welchem er seine übrigen reichen Besitzungen schenkte. Nach seiner Verordnung werden noch jetzt

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_239.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)