Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 324.jpg

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an Händen und Füßen hatte, und hub zu drehen an bis es umgedreht war, zwölf Stunden nacheinander und alle Stunden einmal. Ihnen aber däuchte, als ob unter ihnen helles Wasser sey, gleich einem Spiegel, worin sie alles sehen konnten, was sie vorhatten, gutes oder böses und wen sie von Leuten da sahen, erkannten sie und wußten ihre Namen zu nennen. Ueber ihnen aber war es wie Feuer und glühende Zapfen hingen herab.

Wie sie nun zwölf Stunden ausgehalten hatten, rückte der Glücksmeister einen feinen jungen Menschen vom Rade, der eines Burgermeisters Sohn aus Meissen war und führte ihn mitten durch die Feuerflamme mit sich hin. Die elf andern wußten nicht wie ihnen geschehen und sanken betäubt nieder in tiefen Schlaf, und als sie etliche Stunden lang unter freiem Himmel gelegen, wachten sie auf, aber ihre Kleider auf dem Leibe und ihre Hemder die waren ganz mürb geworden und zerfielen beim Angreifen, von der großen Hitze wegen, die auf dem Rad gewesen war.

Darauf erhoben sie sich und gingen jeder seines Wegs, in der Hoffnung, ihr Lebtag alles gnug und eitel Glück zu haben, waren aber nach wie vor arm und mußten das Brot vor anderer Leute Hausthüre suchen.


Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_324.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)