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214.
Der Wärwolf-Stein.
Otmar S. 270 - 276


Bei dem magdeburgischen Dorfe Eggenstedt, unweit Sommerschenburg und Schöningen, erhebt sich auf dem Anger nach Seehausen zu ein großer Stein, den das Volk den Wolf- oder Wärwolfs-Stein nennet. Vor langer, langer Zeit hielt sich an dem brandsleber Holze, das sonst mit dem Hackel und dem Harz zusammenhing, ein Unbekannter auf, von dem man nie erfahren hat, wer er sey, noch woher er stamme. Ueberall bekannt unter dem Namen des Alten kam er öfters ohne Aufsehen in die Dörfer, bot seine Dienste an und verrichtete sie zu der Landleute Zufriedenheit. Besonders pflegte er die Hütung der Schafe zu übernehmen. Es geschah, daß in der Heerde des Schäfers Melle zu Neindorf ein niedliches, buntes Lamm fiel; der Unbekannte bat den Schäfer dringend und ohn Ablaß, es ihm zu schenken. Der Schäfer wollt’ es nicht lassen. Am Tag der Schur brauchte Melle den Alten, der ihm dabei half; bei seiner Zurückkunft fand er zwar alles in Ordnung und die Arbeit gethan, aber weder den Alten noch das bunte Lamm. Niemand wußte geraume Zeitlang von dem Alten. Endlich stand er einmal unerwartet vor dem Melle, welcher im Kattenthal weidete und rief höhnisch: „guten Tag, Melle, dein bunt Lamm läßt dich grüßen!“ Ergrimmt griff der Schäfer seinen Krummstab

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_331.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)