Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V1 491.jpg

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Zu Glatz, gegen dem böhmischen Thor wärts, stehet ein alter Thurm, rund und ziemlich hoch; man nennet ihn Heidenthurm, weil er vor uralten Zeiten im Heidenthum erbaut worden. Er hat starke Mauern und soll der Kalk dazu mit eitel Wein zubereitet worden seyn.


352.
Der Judenstein.
Mündlich, aus Wien.
Des tirol. Adlers immergrünendes Ehrenkränzel. durch F. A. Grafen von Brandis. Botzen 1678. 4. S. 128
Schmiedt’s heiliger Ehren-Glanz der Grafschaft Tirol. Augsburg 1732. 4. II. 154–167.

Im Jahr 1462 ist es zu Tirol im Dorfe Rinn geschehen, daß etliche Juden einen armen Bauer durch eine große Menge Geld dahin brachten, ihnen sein kleines Kind hinzugeben. Sie nahmen es mit hinaus in den Wald und marterten es dort auf einem großen Stein, seitdem der Judenstein genannt, auf die entsetzlichste Weise zu todt. Den zerstochenen Leichnam hingen sie darnach an einen unfern einer Brücke stehenden Birkenbaum. Die Mutter des Kindes arbeitete gerade im Felde, als der Mord geschah; auf einmal kamen ihr Gedanken an ihr Kind und ihr wurde, ohne daß sie wußte warum, so angst: indem fielen auch drei frische Blutstropfen nach einander auf ihre Hand. Voll Herzensbangigkeit eilte sie heim und begehrte nach ihrem Kind. Der Mann zog sie in die Kammer, gestand, was er gethan und wollte ihr nun das schöne

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_491.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)