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es von heiterem Himmel zu regnen anfing. Sie ward gerichtet, aber später kam ihre Unschuld an den Tag.


361.
Gottes Speise.
Luther’s Tisch-Reden S. 90b. 91a.

Nicht weit von Zwickau im Voigtlande hat sich in einem Dorf zugetragen, daß die Eltern ihren Sohn, einen jungen Knaben, in den Wald geschickt, die Ochsen, so allda an der Weide gegangen, heimzutreiben. Als aber der Knabe sich etwas gesäumt, hat ihn die Nacht überfallen, ist auch dieselbe Nacht ein großer tiefer Schnee herabgekommen, der allenthalben die Berge bedeckt hat, daß der Knabe vor dem Schnee nicht hat können aus dem Wald gelangen. Und als er auch des folgenden Tags nicht heim kommen, sind die Eltern nicht so sehr der Ochsen, als des Knaben wegen, nicht wenig bekümmert gewesen und haben doch vor dem großen Schnee nicht in den Wald dringen können. Am dritten Tag, nachdem der Schnee zum Theil abgeflossen, sind sie hinausgegangen, den Knaben zu suchen, welchen sie endlich gefunden an einem sonnigten Hügel sitzen, an dem gar kein Schnee gelegen. Der Knab, nachdem er die Eltern gesehen, hat sie angelacht und als sie ihn gefragt, warum er nicht heimgekommen? hat er geantwortet, er hätte warten wollen, bis es Abend würde; hat nicht gewußt, daß schon ein Tag vergangen war, ist ihm auch kein Leid widerfahren. Da man ihn auch gefragt, ob er etwas gegessen hätte, hat er berichtet, es sey ein Mann zu ihm kommen, der ihm Käs und Brot gegeben habe. Ist also dieser Knabe sonder Zweifel durch einen Engel Gottes gespeist und erhalten worden.

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 1. Nicolai, Berlin 1816, Seite 463. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V1_499.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)