Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 008.jpg

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das Christenthum wurde mit der Zerstörung aller Alterthümer der Vorzeit zu ihnen geführt, und das Geringhalten heidnischer Sitten und Sagen eingeschärft. Schon unter den sächsischen Kaisern mögen die Denkmäler früherer Volksdichtung so verklungen gewesen seyn, daß sie sich nicht mehr an dem Glanze und unter dem Schutze ihrer für uns Deutsche so wohlthätigen Regierung aufzurichten im Stande waren. Merkwürdig bleibt, daß die eigentlichen Kaisersagen, die mit Karl anheben, schon nach den Ottonen ausgehen, und selbst die Staufenzeit erscheint unmythisch; blos an Friedrich Rothbart, wie unter den späteren an Rudolf von Habsburg und Maximilian stammen noch einzelne Lichter. Dieser Zeitabschnitt bindet andere Sagenkreise so wenig, daß sie noch während des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts eben in ihrer Blüte stehn. Unter allen einzelnen Geschlechtern aber, die in der Sage gefeiert worden, ragen früher die Amaler, Gunginger und Agilolfinger, später die Welfen und

Thüringer[1] weit hervor. Es bleibt überhaupt bei der Frage: auf welchem Boden die epische Poesie eines Volkes gedeihen und fortlebe, von Gewicht, daß sie sich in urdeutschen Geschlechtsfolgen


  1. Kein deutscher Landstrich hat auch so viel Chroniken als Thüringen und Hessen für die alte Zeit ihrer Vereinigung. Es gibt deren gewiß über zwanzig gedruckte und ungedruckte von verschiedenen Verfassern, wiewohl sie auf ähnlicher Grundlage ruhen.
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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_008.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)