Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 061.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Zug anführen sollte. So langten sie ohne Verzug in Baiern an, und wurden dem König Garibald in der Weise anderer Gesandten vorgestellt; der Älteste sprach den üblichen Gruß, hernach trat Authari selbst, der von keinem Baier erkannt wurde, vor, und sprach: „Authari, mein Herr und König, hat mich deßhalb hieher gesandt, daß ich seine bestimmte Braut, die unsere Herrin werden soll, schaue, und ihm ihre Gestalt genau berichten könne.“ Auf diese Worte hieß der König seine Tochter kommen, und als sie Authari stillschweigend betrachtet hatte, auch gesehn, daß sie schön war, und seinen Augen gefiel, redete er weiter: „weil ich, o König, deine Tochter so gestaltet sehe, daß sie werth ist, unsere Königin zu werden, möge es dir belieben, daß ich aus ihrer Hand den Weinbecher empfange.“ Der König gab seinen Willen dazu, Dietlind stand auf, nahm den Becher, und reichte zuerst dem zu trinken, der unter ihnen der Älteste zu seyn schien; hernach schenkte sie Authari ein, von dem sie nicht wußte, daß er ihr Bräutigam war. Authari trank, und beim Zurückgeben des Bechers rührte er leise mit dem Finger, ohne daß jemand es merkte, Dietlindens Hand an, darauf fuhr er sich selbst mit der Rechten, von der Stirn an über die Nase, das Antlitz herab. Die Jungfrau vor Schaam erröthend, erzählte es ihrer Amme. Die Amme versetzte: „Der dich so anrührte, muß wohl der König und dein Bräutigam selber seyn, sonst hätte ers nimmer gewagt; du aber schweige, daß es dein Vater nicht vernehme;

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_061.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)