Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 065.jpg

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dieselbe Weise, wie er gekommen war, unerkannt in seine Schlafstube zurück.

Kaum hatte er sich entfernt, als sich der König selbst vornahm, diese Nacht seine Gemahlin zu besuchen, die ihn froh empfing, aber verwundert fragte: „Warum er gegen seine Gewohnheit, da er sie eben erst verlassen, schon wieder zu ihr kehre?“ Agilulf stutzte, bildete sich aber augenblicklich ein, daß sie durch die Ähnlichkeit der Gestalt und Kleidung könne getäuscht worden seyn; und da er ihre Unschuld deutlich sah, gab er als ein verständiger Mann sich nicht blos, sondern antwortete: „traut ihr mir nicht zu, daß, nachdem ich einmal bei euch gewesen, ich nicht noch einmal zu euch kommen möge?“ worauf sie versetzte: „ja, mein Herr und Gemahl, nur ich bitte euch, daß ihr auf eure Gesundheit sehen möget.“ „Wenn ihr mir so rathet, sprach Agilulf, so will ich euch folgen, und dies Mal nicht weiter bemühen.“ Nach diesen Worten nahm der König seinen Mantel wieder um, und verließ voll innerem Zorn und Unwillen, wer ihm diesen Schimpf zugefügt habe, das Gemach der Königin. Weil er aber richtig schloß, daß einer aus dem Hofgesinde der Thäter seyn müßte, und noch nicht aus dem Hause habe gehen können, so beschloß er auf der Stelle nachzuspüren, und ging mit einer Leuchte in einen langen Saal, über dem Marstall, wo die ganze Dienerschaft in verschiedenen Betten schlief. Und indem er weiter bedachte, dem, der es vollbracht, müßte noch das Herz viel stärker

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_065.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)