Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 070.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Nur wenige Lombarden kamen lebendig davon; sie flüchteten mit Romhild, Gisulfs Gemahlin, und seinen Söhnen in die Festung Friaul. Als nun Cacan, der Hunnenkönig, vor den Mauern der Burg, um sie zu besichtigen, herritt, ersah ihn Romhild und sah, daß er ein blühender Jüngling war. Da ward sie entzündet, und sandte ihm heimliche Botschaft: wenn er sie ehelichen würde, wolle sie die Burg, mit allen die darin wären, in seine Hände geben. Cacan ging dieses ein, und Romhild ließ die Thore öffnen. Die Hunnen verheerten die ganze Stadt; was von Männern darin war, tödteten sie durchs Schwert, um die Weiber und Kinder aber loosten sie. Doch entrannen Taso und Romoald, Gisulfs älteste Söhne glücklich; und weil sie Grimoald, ihren jüngsten Bruder, noch für zu klein hielten, ein Roß zu besteigen: so dachten sie, „es wäre besser, daß er stürbe, als in Gefangenschaft fiele,“ und wollten ihn tödten. Und schon war das Speer gegen den Knaben erhoben, da rief Grimoald mit Thränen: „erschlag mich nicht, denn ich kann mich schon auf dem Pferde halten.“ Sein Bruder ergriff ihn beim Arm, und setzte ihn auf den bloßen Rücken eines Pferdes; der Knabe faßte die Zügel und folgte seinen Brüdern nach. Die Hunnen rennten hinter her, und einer fing den kleinen Grimoald; doch wollte er ihn, seiner zarten Jugend wegen, nicht tödten, sondern zu seiner Bedienung aufheben. Der Knabe war schön von Bildung, glänzend von Augen, und gelb von Haaren; als ihn der Hunne ins Lager

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_070.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)