in seine Heimath wieder zu kommen. Eines Tages
führte er die vorgehabte Flucht aus, nahm blos Pfeil
und Bogen mit, und etwas Speise; er wußte aber
nicht, wohin aus. Da gesellte sich ein Wolf zu ihm,
und wurde sein Wegweiser. Und als er das Thier
sich oft nach ihm umblicken, und so oft er still stand,
auch still stehen sah, dachte er, daß es ihm von Gott
gesandt wäre. So wanderten sie, das Thier und der
Knabe, einige Tage durch Berge und Thäler der
Wildniß; endlich ging dem Leupichis das wenige Brot
aus, das er hatte. Bald verzehrte ihn der Hunger,
und er spannte seinen Bogen auf den Wolf, damit
ihm das Thier zur Speise dienen sollte. Der Wolf
wich dem Pfeil aus und verschwand. Nun aber
wußte er nicht mehr, welchen Weg einzuschlagen,
und warf sich ermattet zu Boden; im Schlaf sah er
einen Mann, der zu ihm redete: stehe auf, der du
schläfst, und nimm den Weg nach der Gegend hin,
wohin deine Füße gerichtet sind, denn dort liegt Italien.
Alsbald stand Leupichis auf und ging dahinwärts;
er gelangte zu den Wohnungen der Slaven,
eine alte Frau nahm ihn auf, verbarg ihn in ihrem
Haus, und gab ihm Lebensmittel. Darauf setzte er
den Weg fort, und kam nach wenig Tagen in die
Lombardei, an den Ort, wo er herstammte. Das
Haus seiner Eltern fand er so verödet, daß es kein Dach
mehr hatte, und voll Dorn und Disteln stand.
Er hieb sie nieder, und zwischen den Wänden war ein
großer Ulmbaum gewachsen, an den hing er seinen
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_072.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)