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422.
Remig umgeht sein Land.

Flodoardus hist. remensis lib. I. cap. 14.
Legenda aurea cap. 142.


Chlodowich der Franken König schenkte dem heiligen Remigius, Bischof zu Rheims, so viel Land, als er umgehen würde, so lange der König den Mittagsschlaf hielte. Also machte sich der heilige Mann auf, und steckte die Grenzen ab durch Zeichen, die man noch heutiges Tages sieht. Da er nun vor einer Mühle vorüberkam, und sie in seinen Bezirk schließen wollte, trat der Müller hervor, wies ihn ab, und sprach ein dagegen, daß er ihn in seine Grenzen mitbegriffe. Sanft redete der Mann Gottes ihm zu: „Freund, laß dich’s nicht verdrießen, wir wollen die Mühle zusammen haben.“ Der Müller beharrte bei seiner Weigerung; alsbald fing das Mühlrad an, sich verkehrt umzudrehen. Da rief er dem Heiligen nach: „komm, Gottes Diener, und laß uns die Mühle zusammen haben!“ Remig antwortete: „weder ich noch du sollen sie haben.“ Von der Zeit an wich daselbst der Erdboden, und es entstand eine solche Untiefe, daß an dem Ort niemand mehr eine Mühle haben konnte. Remig schritt weiter fort, und gelangte an einen kleinen Wald; da waren wieder die Leute, und wollten nicht, daß er ihn einschlösse in seine Begrenzung. Der Heilige sprach: „so soll nimmermehr ein Blatt von eurem Wald über meine Grenze fliegen, (die ganz hart daran her lief) und kein Ast auf meine

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_098.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)