Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 129.jpg

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während er selber in den Dom ging. Nun war das Recht in Franken, „wer auf den Stuhl im Dom: saß, der mußte König seyn;“ das däuchte ihm gut, er setzte sich auf den Stuhl, zog sein Schwert, und legte es baar über seine Knie. Da trat der Meßner in den Dom, und wollte die Bücher vortragen; als er aber den König sitzen sah mit baarem Schwert und stillschweigend, begann er zu zagen, und verkündete eilends dem Priester: „Da ich zum Altar ging, sah ich einen greisen Mann mit bloßem Schwert über die Knie auf dem gesegneten Stuhl sitzen.“ Die Domherren wollten dem Meßner nicht glauben; einer von ihnen griff ein Licht, und ging unverzagt zu dem Stuhle. Als er die Wahrheit sah, wie der greise Mann auf dem Stuhle saß, warf er das Licht aus der Hand, und floh erschrocken zum Bischof. Der Bischof ließ sich zwei Kerzen von Knechten tragen, die mußten ihm zu dem Dom leuchten; da sah er den Mann auf dem Stuhle sitzen, und sprach furchtsam: „ihr sollt mir sagen, was Mannes ihr seyd, geheuer oder ungeheuer, und wer euch ein Leids gethan, daß ihr an dieser Stätte sitzet?“ Da hob der König an: „ich war euch wohl bekannt, als ich König Carl hieß, an Gewalt war keiner über mich!“ Mit diesen Worten trat er dem Bischof näher, daß er ihn recht ansehen könnte. Da rief der Bischof: „will kommen, liebster Herr! eurer Kunst will ich froh seyn,“ umfing ihn mit seinen Armen, und leitete ihn in sein reiches Haus. Da wurden alle Glocken geläutet, und

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_129.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)